Bau-Experte mahnt zu Energieeffizienz vor fossilem Entzug

13. Juni 2022, Kiew (Kyjiw)/Moskau/Innsbruck
Effizienz "eine der wichtigsten Energiequellen" - Wien, APA

Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern müsse verringert, CO2 längerfristig eingespart werden – so lautet der Tenor. Zu wenig Beachtung werde jedoch der Effizienz-Frage geschenkt, hielt der Leiter des Forschungszentrums für nachhaltiges Bauen an der Universität Innsbruck, Rainer Pfluger, im APA-Interview fest. Durch Gebäudesanierung könne der Heizwärmebedarf um über 84 Prozent gesenkt werden. Wie, zeige auch ein Sanierungsprojekt in St. Johann (Bezirk Kitzbühel).

Durch gezielte bauliche Maßnahmen werde dort der Energieverbrauch für Heizung, Warmwasseraufbereitung und Belüftung in drei ausgewählten Mehrfamilienhäusern minimiert, so der Experte. Die Planungsphase sei nun abgeschlossen, Baustart sei im Frühjahr 2023. Das Vorhaben ist Teil des internationalen und von der EU geförderten Forschungsprojekts outPHit, an dem neben Österreich auch Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Spanien, Griechenland und Bulgarien beteiligt sind. Insgesamt werden beim Projekt 207 Wohneinheiten und drei Nicht-Wohngebäude mit einem Budget von rund 30 Millionen Euro saniert. Durch modulare Systeme, industrielle Vorfertigung und Optimierung von Fertigungsprozessen auf der Baustelle soll nicht nur der Passivhaus-Standard für die Sanierung – genannt EnerPHit – erreicht, sondern die Sanierung auch „kosteneffizienter, schneller und weniger störend für die Bewohner“ sein, führte Pfluger aus.

Der Arbeitsbereich Energieeffizientes Bauen der Universität Innsbruck ist gemeinsam mit Tirols größter gemeinnütziger Wohnbaugesellschaft „Neue Heimat Tirol“ (NHT) Bauträger und Teil des EU-Projekts. Die Sanierung der 32 Wohnungen aus dem Jahr 1961 umfasse unter anderem eine minimalistische Lüftungsanlage über die Fassade und zusätzliche Balkone, erklärte Pfluger. Neu sei, dass die Lüftungsanlage in modularen Systemen rasch und minimalinvasiv an der Außenwand angebracht werden kann. Zudem sollen die Fenster getauscht, die Wände sowie die oberste Geschoß- und Kellerdecke gedämmt und die Heizsysteme vereinheitlicht werden. Die gesamte Sanierung der drei Baukörper würde insgesamt nicht mehr als ein Jahr dauern, schätzte Pfluger.

Durch die verbesserte Effizienz reiche künftig die bestehende Wärmeübergabestation der Fernwärme für die Beheizung und Warmwasserbereitung der gesamten Gebäude. Würden weitere Ortsteile derart effizient saniert, könne die Fernwärmeversorgung ohne Leistungszuwachs der Wärmeerzeuger ausgebaut werden, unterstrich Pfluger. Wo dies nicht möglich ist, sollen Luft- und Erdwärmepumpen eingesetzt werden.

Schlussendlich soll der Heizwärmebedarf um über 84 Prozent gesenkt werden, nannte Pfluger das konkrete Ziel: „Eine Herausforderung bei den kalten Wintern vor Ort.“ Durch die Sanierung werde „behaglicher Wohnkomfort und bestmögliche Luftqualität“ erreicht, zeigte sich Pfluger überzeugt. Den Menschen sei die angenehme Seite von Energieeinsparung zu wenig bewusst, so der Bau-Experte: „Energiesparen hat leider noch immer den negativen Beigeschmack von Verzicht.“ Dabei würde der Wohnkomfort durch höhere Oberflächentemperaturen der Außenwände und die frische Luft durch die Wärmerückgewinnungsanlage sogar noch höher.

Effizienz sei „eine der wichtigsten Energiequellen“, betonte der Bauphysiker. Erstes Ziel solle immer sein, den Energieverbrauch soweit wie möglich zu senken, um erst dann den Rest mit regenerativen Energiequellen zu decken, so der Bau-Experte weiter. Jeder Einzelne könne sich bereits jetzt durch einfache Maßnahmen für den kommenden Winter rüsten – etwa mit einer reflektierenden Beschichtung der Heizkörper oder Dämmung von Armaturen.

APA

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