Timmermans: EU-Klimapaket Bruch mit 200-jähriger Tradition

14. Juni 2022, Wien/Kiew (Kyjiw)/Moskau
EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans - Nieuwegein, APA/ANP

Mit EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans stand der wohl wichtigste EU-Umweltpolitiker auf der Gästeliste des „Austrian World Summit“. Bei einer Pressekonferenz in der Wiener Hofburg sprach er über die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf das EU-Klimapaket, die aus seiner Sicht die Energiewende noch beschleunigen wird. Jedoch sei klar: „Fit for 55“ – „das ist eine völlige Transformation unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft.“

Denn mit der Abkehr von der fossilen Wirtschaft „brechen wir mit einer 200-jährigen Tradition – das Konsequenzen für jeden Bürger und jeden Betrieb“. Timmermans verteidigte auch erneut die Taxonomie und die Wahlfreiheit der EU-Staaten – auch bei Atomenergie als „Brückentechnologie“ am Weg zur Dekarbonisierung. „Die Taxonomie sagt nicht, dass Atomenergie oder Erdgas ‚grün‘ sind, sondern dass sie für den Übergang zur Energiewende gebraucht werden“, hielt Timmermans fest.

Aus persönlicher Sicht hofft der für den europäischen „Green Deal“ zuständige Niederländer, dass die Entscheidungen zu einer Energieform rational sind, und „wenn man die Kosten sieht, steigen jene für Atomstrom, während die für Erneuerbare sinken“. Aber er wolle auch noch einmal betonen, dass es nicht die EU sei, die hier entscheide. „Es sind die Mitgliedsstaaten, die dafür oder dagegen entscheiden.“ Am Ende ginge es darum, die Ziele des EU-Klimapakets „Fit for 55″zu erreichen, „was für uns wichtig ist, dass die Mitgliedsstaaten hier all das machen, wozu sie gesetzlich verpflichtet sind“, das „wie“ sei deren Sache, denn „wenn wir diese Union zusammen halten wollen, dann müssen wir das akzeptieren“.

Als „eher einen Unfall“ stufte Timmermans die Ablehnung von Teilen des EU-Klimapakets beim Emissionshandel (ETS) durch das EU-Parlament am vergangen Mittwoch ein, was die Ausweitung auf Gebäude und Verkehr betrifft. Er sehe darin nicht die Gefahr, dass der Emissionshandel scheitere, die Frage sei einfach „unheimlich kompliziert“ und zeige die Schwierigkeiten, „Fit for 55“ als Gesamtkunstwerk zu sehen. Er glaube nicht, dass die EU-Parlamentarier es vorgehabt hätten, dieses „Nein“. „Jetzt bin zuversichtlich, dass es dem Parlament, gelingt eine Position zu finden, wie auch der Rat seine finden muss.

Was die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs betrifft, so hat EU-Kommissionsvizepräsident keine Befürchtungen, dass sein Klimapaket hier von einzelnen Ländern attackiert werde, eher habe er den Eindruck, dass sowohl Parlament wie auch der Rat die Energiewende deswegen noch beschleunigen wollen. Jedoch sei klar, „das ist eine völlige Transformation unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft“, denn mit der Abkehr von der fossilen Wirtschaft, „brechen wir mit einer 200-jährigen Tradition – das Konsequenzen für jeden Bürger und jeden Betrieb“.

„Wir waren süchtig nach fossiler Energie“, und da stimme er mit dem Leiter der US-Umweltschutzbehörde EPA, Michael S. Regan, überein, als dieser beim Summit sagte, dass man da keinen Schalter umlegen und alles über Nacht ändern könne. „Aber so schnell wie möglich sollte man es tun“, so Timmermans. Die Abhängigkeit von Öl und Gas aus Russland und damit von den Handlungen von dessen Präsidenten Wladimir Putin sei in manchen EU-Staaten aber eine große, „daher muss man rasch Alternativen schaffen“, bis es dann 2027 ohnehin der Plan sei, kein russisches Öl und Gas mehr zu importieren.

Aus Sicht von Timmermans haben sich die Staaten mit dieser Abhängigkeit sehr solidarisch mit der Haltung der EU gezeigt, aber „hier gibt es keine Nuance, denn wenn ein Staat so aggressiv angreift und auch so barbarisch, dann gibt es nur eine Position und diese heißt ‚das akzeptieren wir nicht‘. „Die Lage ist in diesem Krieg deutlich, ‚ihr seid entweder mit uns oder gegen uns'“, stellt der Kommissionsvize klar, wie mit Staaten am Balkan umgegangen würde, die sich nicht zwischen Russlandfreundlichkeit und EU-Beitrittswünschen entscheiden können, denn der Krieg „ist auch Krieg gegen unsere Werte, es ist einer von Intoleranz und Antidemokratie gegen unsere offene liberale Gesellschaft“.

https://austrianworldsummit2022.b2match.io/

APA/dpa

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