Gas-Flaute könnte bis zu 56.000 Jobs in OÖ kosten

22. Juni 2022, Linz/Wien/Kiew (Kyjiw)
Auswirkungen eines Gas-Lieferstopps sind schwer abschätzbar - Jauni?nai, APA/AFP

Ein Gas-Embargo oder -Lieferstopp könnte in Oberösterreich zwischen gut 31.000 und 56.000 Menschen den Job kosten und das BIP um 3,4 bis 6,6 Prozent drücken. Das hat der Volkswirtschafter Friedrich Schneider im Auftrag der Initiative Wirtschaftsstandort OÖ (IWS) errechnet. Umgelegt auf ganz Österreich kommt er in einer „Grobschätzung“ auf einen BIP-Rückgang von 6 Prozent und 130.000 zusätzliche Arbeitslose, EU-weit auf 1 bis 2 Prozent BIP-Rückgang und 1,5 Mio. verlorene Jobs.

Es sei seine „mit Abstand schwierigste Studie in 40 Jahren gewesen“, schickte Schneider bei der Präsentation am Mittwoch voraus, es gebe viele Unwägbarkeiten. Die Annahme des Volkswirtschafters: Es fließt mit Anfang Juli kein Gas aus Russland mehr und von den bisher aus Gas gewonnenen 21,51 TWh fallen damit 15,71 TWh weg. Angelehnt an eine deutsche Studie nimmt er an, dass die erdgasintensive Industrie in rund einem Fünftel ihrer Produktionsprozesse Erdgas durch alternative Energieträger ersetzen kann. Darauf aufbauend hat Schneider eine optimistische und eine pessimistische Variante für die auf den Gas-Stopp folgenden 12 Monate berechnet. Welches Szenario wahrscheinlicher ist, sei derzeit nicht abschätzbar, meinte er. Ob es sich um ein Embargo der EU oder einen Lieferstopp vonseiten Russlands handelt, würde bei den Auswirkungen keinen Unterschied machen.

In seiner „pessimistischen Variante“ nimmt Schneider an, dass maximal ein Zehntel des Ausfalls durch Speichervorräte substituiert und kaum Gas aus dem Ausland zugekauft werden kann, sowie, dass die privaten Haushalte keine Einsparungen vornehmen. Unterm Strich würden von dem in Oberösterreich für Industrie, Gewerbe und private Haushalte benötigten Gas dann 58 Prozent abgehen. Die Folge wäre laut Schneiders Berechnungen ein BIP-Rückgang um 6,5 Prozentpunkte, die Zahlen von 2020 zugrundegelegt würde das ein Absinken von 65,24 auf 61 Mrd. Euro bedeuten. 56.000 Menschen – knapp 12 Prozent der unselbstständig Beschäftigten – würden ihren Job verlieren.

In seiner „optimistischen Variante“, setzt Schneider voraus, dass etwa 30 Prozent des Gas-Ausfalls durch eigene Vorräte oder Zukauf substituiert werden können, und dass die privaten Haushalte 10 Prozent einsparen. Damit würden „nur“ 23 Prozent der benötigten Menge fehlen. Das würde laut Schneider einen BIP-Rückgang von 3,41 Prozentpunkten – zur Basis von 2020 um 2,22 Mrd. auf 63,02 Mrd. Euro – nach sich ziehen. 31.620 Personen (6,27 Prozent der Arbeitnehmer) würden ihren Job verlieren.

In beiden Szenarien würden rund 51 Prozent des BIP-Rückgangs zulasten von Industrie, produzierendem Gewerbe, Bauwesen, Energieversorgung sowie Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz gehen. 47 Prozent der zusätzlichen Arbeitslosigkeit beträfe Industrie, Gewerbe und Handwerk, 53 Prozent würden sich relativ gleichmäßig auf die Sparten Handel, Banken und Versicherungen, Transport und Verkehr, Tourismus und Information verteilen. Dass der Arbeitskräftemangel den Wegfall von Jobs zumindest teilweise ausgleichen könnte, sei nicht anzunehmen. Schneider plädiert dafür, jedenfalls wieder das Instrument der Kurzarbeit einzusetzen.

Ein Umlegen der Zahlen auf ganz Österreich sei schwierig, so Schneider. Mit Oberösterreich vergleichbar sei am ehesten noch die Steiermark. Auch zwischen den EU-Staaten gebe es große Unterschiede, auf manche hätten ein Embargo oder Lieferstopp wohl keine Auswirkungen, andere könnten mit 6 bis 8 Prozent BIP-Verlust in eine Rezession kommen.

Ein Gasembargo sieht Schneider kritisch. Es würde „wenig Effekt auf die Kriegskasse“ Wladimir Putins haben, erwartet er, denn es hätte einen Preisanstieg zur Folge, mit dem Russland die geringeren Liefermengen „locker“ wettmachen würde. IWS-Geschäftsführer Gottfried Kneifel stellt sich ebenfalls klar gegen ein Gas-Embargo der EU und vermisst seitens der Bundesregierung eine Anleitung für Bürger zum Energiesparen. IWS-Präsident Christoph Leitl hat „die Vertreterin der Wirtschaft Oberösterreichs im EU-Parlament“, die EU-Abgeordnete Angela Winzig (ÖVP), ersucht, dort „bewusstseinsfördernd einzuwirken“.

APA

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