Auf der Suche nach Erdgas-Alternativen

28. Juni 2022

Energiekrise. Ein Stopp der Gasversorgung würde vielen Betrieben erhebliche Probleme bereiten. Mit Hochdruck wird nach Möglichkeiten gesucht, eine solche Situation zu meistern. Ein Querschnitt über verschiedene Branchen.

Aus einem vermeintlich verlässlichen Geschäftspartner ist binnen Kurzem ein Unsicherheitsfaktor geworden: Russland spielt mit Europas Gasversorgung, und das beschert vielen Industriemanagern unruhige Nächte: Was tun, wenn kein Gas zur Verfügung ist? In vielen Betrieben exerzieren Krisenteams Szenarien bis zum kompletten Ausfall der Gasversorgung durch. So auch bei Salesianer Miettex. Das Unternehmen wäscht und bügelt täglich rund 400 Tonnen Wäsche — rund 60.000 Ladungen konventioneller Haushaltswaschmaschinen, Gas ist der wichtigste Energieträger.
Salesianer zählt zur kritischen Infrastruktur, da ein wesentlicher Teil der zu waschenden Textilien aus Krankenhäusern sowie Alten- und Pflegeheimen stammt. Deshalb sollte das Unternehmen in Krisenzeiten zumindest für diesen Aufgabenbereich gewisse Mengen an Erdgas erhalten. Wie viel hat man bis jetzt nicht erfahren.

Pläne für den Worst Case

Auf jeden Fall will man dann die Arbeiten für die bevorzugten Bereiche auf drei bis vier Betriebe konzentrieren. „Dafür gibt es bereits genaue Pläne“, sagt Thomas Gittler, Energieverantwortlicher und Krisenmanager bei Salesianer Miettex. Auf den Worst Case ist man ebenfalls vorbereitet: „Falls es gar kein Gas mehr gibt, werden wir unsere einzige noch verbliebene heizölbefeuerte Wäscherei im Drei-Schicht-Betrieb fahren und nach Möglichkeit in unsere Betriebe in Nachbarländern, die vom Gasproblem weniger betroffen sind, ausweichen“, berichtet Gittler. Eine Umstellung der mit Gas betriebenen Wäschereien auf Erdöl würde mehrere Monate dauern, hohe Investitionen erfordern und wäre alles andere als umweltfreundlich.

Auch die Vivatis Holding hofft als Teil der kritischen Infrastruktur auf Gaslieferungen im Fall einer Versorgungskrise. Zu dieser Unternehmensgruppe gehören rund 20 Lebensmittelmarken von Inzersdorfer über Maresi bis zur Gourmet-Gemeinschaftsverpflegung, die täglich 300.000 Menschen mit Essen versorgt. Seit zehn Jahren versucht Vivatis, den Einsatz fossiler Energieträger zu reduzieren und Alternativen von Fotovoltaik bis Wärmerückgewinnung zu nützen. „Aber wir brauchen große Mengen an Wärme, und unsere Hauptenergiequelle ist daher nach wie vor Gas“, sagt Vorstandsvorsitzender Gerald Hackl. Um für Probleme bei der Gasversorgung gerüstet zu sein, werden Ausweichmöglichkeiten vom eigenen Gaslager über die Nutzung von Wärmepumpen und Hackschnitzel bis zur Wiedereinführung von Ölheizungen geprüft. Für Letzteres kann sich Hackl nur bedingt begeistern: „Wir haben uns Nachhaltigkeit zum Ziel gesetzt und viel investiert, um von der Ölheizung wegzukommen.“ Bei Alternativen wie Wärmepumpen oder Hackschnitzel stellt sich die Frage, ob und wie rasch solche Lösungen in Dimensionen, wie sie Großbetriebe benötigen, realisierbar sind. Meistern wird das Unternehmen die Herausforderungen jedenfalls, ist Hackl überzeugt.

Kritisch sieht man die Situation bei der Voest. Eisenerz aus der Ukraine und Kohle aus Russland konnten mit Lieferungen aus anderen Bereichen substituiert werden. Beim Gas wird es schwierig: „Ein Gasembargo wäre für die Voestalpine und wahrscheinlich für die gesamte europäische Industrie ein sehr schwieriges Thema“, formulierte es Vorstandsvorsitzender Herbert Eibensteiner bei der Bilanzpressekonferenz. Für die Voestalpine würde ein Gas-Stopp laut Eibensteiner bedeuten, dass kein Stahl mehr erzeugt werden könnte. An Alternativen zu fossilen Brennstoffen arbeitet der Konzern schon lang, ihre Realisierung dauert. So soll Anfang 2027 je ein Elektrolichtbogenofen in Linz und in Donawitz in Betrieb gehen. In Linz steht eine Pilotanlage zur Stahlerzeugung auf Basis von grünem Wasserstoff, auch an der Nutzung anderer Wasserstofftechnologien wird geforscht. Aber erst 2050 soll der Konzern nach bisherigen Plänen Stahl CO2-neutral erzeugen können.

Eigene Speicher für den Notfall

Für einen aktuellen Gas-Stopp bleibt nur die Möglichkeit der eigenen Gasspeicherung, die eine Novelle zum Energielenkungsgesetz jetzt ermöglicht: „Damit könnten wir im Notfall eine Produktion circa drei Monate aufrechterhalten“, sagt Pressesprecher Peter Felsbach.

Eine andere energieintensive Industrie sieht zumindest punkto Aufrechterhaltung der Produktion einer Einschränkung der Gasversorgung relativ gelassen entgegen: „Wir brauchen bei der Zementerzeugung zwar sehr hohe Verbrennungstemperaturen, aber entgegen einer landläufigen Meinung setzen wir in Österreich dafür kein Gas ein“, berichtet Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZ). Bereits vor 25 Jahren habe man begonnen, fossile Brennstoffe durch heizwertreiche Abfälle zu substituieren. Heute werden hauptsächlich Kunststoffabfälle aus regionalen Sammlungen eingesetzt, die anderwärtig nicht mehr nützbar sind. Gas wird in geringen Mengen lediglich zur Nachverbrennung in der Rauchgasreinigung benötigt. Als Lösung für andere Industrien will Spaun diese Technologie aber nicht sehen. Die Entwicklung ist auf das Brennen von Klinker in einem Drehrohrofen abgestimmt, ein Prozess, der mit konventioneller Wärmegewinnung aus Erdgas kaum etwas gemein hat.

Presse

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