Deutschland aktiviert Alarmstufe, Österreich noch nicht

28. Juni 2022, Berlin

Die reduzierten Gaslieferungen aus Russland über Nord Stream bringen die deutsche Regierung unter Druck.

Die stark reduzierten Lieferungen von russischem Erdgas haben die deutsche Regierung dazu veranlasst, die Alarmstufe und damit die zweite von drei Stufen im nationalen Notfallplan Gas auszurufen. Gas ist laut dem deutschen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck „von nun an ein knappes Gut in Deutschland“. „Dies sage ich, obwohl die Versorgungssicherheit aktuell gewährleistet ist. Es sind die Versäumnisse der letzten Dekade, die uns jetzt in diese Bedrängnisse geführt haben“, sagte der Minister. Man stünde anders da, wenn man in den vergangenen Jahren bei der Energieeffizienz und beim Ausbau der erneuerbaren Energien wirklich vorangekommen wäre.

Habeck betonte, dass er Rationierungen für die Industrie nach Möglichkeit vermeiden wolle. „Das soll nicht passieren, in keinem Monat im besten Fall“, sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag in Berlin, fügte aber hinzu: „Ich kann es natürlich nicht ausschließen, weil es so voraussetzungsreich ist, was wir tun. Aber es ist kein Szenario, auf das wir hinarbeiten – im Gegenteil.“

Alle Maßnahmen seien darauf ausgerichtet, die Marktkräfte so weit wie möglich wirksam zu halten und andere Alternativen zu schaffen. Es gehe darum, Einsparungen vorzunehmen, auf andere Energieträger auszuweichen und die Infrastruktur auszubauen, „um dieses Szenario abzuwenden“.

Konkret ist die Alarmstufe in Deutschland die Voraussetzung dafür, dass Kohlekraftwerke wieder ans Netz gehen. Sie sollen Gaskraftwerke ersetzen, die – anders als in Österreich – auch im Sommer zur Stromproduktion notwendig sind. Außerdem können die Gasversorger in der Alarmstufe ihre Mehrkosten weiterverrechnen.

Laut Notfallplan liegt „eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vor, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt – der Markt ist aber noch in der Lage, diese Störung oder Nachfrage zu bewältigen“. Auslöser der Ausrufung war, dass der russische Staatskonzern Gazprom die Lieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream deutlich gedrosselt hat. Durch die Pipeline fließen nur noch knapp 40 Prozent der Maximalkapazität. Ab 11. Juli wird die Leitung wegen Instandhaltungsarbeiten voraussichtlich für eine Woche ganz ausfallen.

In Österreich, das zu einem geringeren Teil von Nord Stream abhängig ist, gilt vorerst weiter die Frühwarnstufe. Das beschloss die Bundesregierung nach Beratungen des im Klimaschutzministerium eingerichteten Krisenstabs. Laut Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) wird „die Lage engmaschig überwacht und stündlich neu bewertet“. Entscheidend seien Gasliefermengen und der Speicheraufbau. Sollte der Speicheraufbau gefährdet sein, „müssen wir Maßnahmen ergreifen“. Der Speicherstand betrage aktuell 42,7 Prozent und die Versorgung sei weiter sichergestellt, hieß es aus dem Klimaministerium. Die nächste Stufe im Gasnotfallplan würde Aufrufe an die Industrie vorsehen, Gas einzusparen oder durch andere Energieträger zu ersetzen.

Salzburger Nachrichten