Türkis-Grün will die Energiepreise ab Herbst senken. Warum das kompliziert ist und auch der Nationalrat zur Hürde werden könnte
Teuerung. Die Energiepreise steigen in teils schwindelerregende Höhen. Damit der Winter für Verbraucher dennoch leistbar bleibt, hat sich die türkis-grüne Bundesregierung auf eine „Strompreisbremse“ geeinigt. Der Plan: Ein gewisser Grundbedarf an Energie (Strom, Gas) soll nicht teurer sein als vor Beginn des Ukraine-Kriegs.
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) soll – unter Einbeziehung des Finanzministeriums und des Wifo – ein Modell erarbeiten. Bis Ende August will man einen finalen Vorschlag auf den Tisch legen. Der Regierung bleiben also nur noch drei Wochen.
Ein konkretes Modell zeichnet sich trotz Zeitdrucks nicht ab, nur das Grundprinzip ist bekannt: Ein gewisser Grundbedarf des Stromverbrauchs – zum Beispiel 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs – soll nicht teurer werden als im Vorjahr. Was der Kunde darüber hinaus verbraucht, wird nach den teureren Marktpreisen verrechnet. Heißt: Die Grundversorgung bleibt leistbar, gleichzeitig wird ein gewisser Spardruck an die Verbraucher weitergegeben. Wird dieser Betrag direkt von der Stromrechnung abgezogen, entgehen den Energieversorgern Einnahmen, die ihnen wohl ersetzt werden müssen. Wie? Das ist, wie auch viele anderen Details, noch offen.
Laut Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ist auch eine soziale Staffelung angedacht – „wenn es administrierbar ist“. Sozial Schwache könnten Zusatz-Energiemengen zu günstigeren Preisen bekommen. Etwa all jene, die von der ORF-Gebühr GIS befreit sind.
Es sollen jedenfalls nur Hauptwohnsitze von der Preisbremse profitieren, damit niemand doppelt gefördert wird. Deshalb müssen Daten aus dem Zentralen Melderegister mit Kundendaten von Energieunternehmen verknüpft werden. Für diese Verknüpfung wäre laut Verhandlern eine Verfassungsmehrheit im Nationalrat nötig. Damit Energieunternehmen verpflichtend ihre Rechnung deckeln, dürfte zudem eine Änderung des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes nötig sein. Auch hier gilt für viele Änderungen: Zwei Drittel der Abgeordneten müssen mitziehen.
„Stilles Kämmerchen“
Für eine Zweidrittel-Mehrheit bräuchte die Regierung also zumindest die Zustimmung der FPÖ oder SPÖ. In Regierungskreisen ist man zuversichtlich, dass die Roten einer Strompreisbremse zustimmen werden. Ist das so?
„Alles, was eine Entlastung für die Menschen bringt, finden wir grundsätzlich positiv“, sagt SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll zum KURIER. Aber: „Wir wissen überhaupt nicht, was gerade im stillen Kämmerchen ausgearbeitet wird.“ Von der Regierung sei noch niemand auf die SPÖ zugekommen: „Und wir werden definitiv keinem Modell zustimmen, das wir im Vorhinein nicht ausführlich prüfen konnten.“
Positives Vorzeichen: Die SPÖ sprach sich vergangene Woche ebenso für einen sozial gestaffelten Strompreisdeckel aus. Dabei sollen pro durchschnittlichem Haushalt Stromtarife bis zu einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh gefördert werden.
Kurier