Ohne Wasser fließt vielerorts kein Strom

17. August 2022, Frankfurt am Main
Ein Wasserkraftwerk - Graz, APA/ERWIN SCHERIAU

Ob als Transportweg, für die Kühlung oder als ganz eigener Energieträger: Flüsse spielen in der deutschen Stromversorgung eine zentrale Rolle. Wenn die Wasserstände zu sehr abfallen, können Kraftwerke nicht mehr mit Brennstoff versorgt und gekühlt werden, Wasserkraftwerke stehen still. Langfristig hilft der Umstieg auf Erneuerbare – in den nächsten zwei Wintern könnte es aber „so richtig eng werden“, warnt der deutsche Energieexperte Fabian Huneke von Energy Brainpool.

„Wir sind viel früher als gedacht in eine Wetterabhängigkeit im Stromsystem reingerutscht“, sagt Huneke. Diese Abhängigkeit sehe aber anders aus als zunächst befürchtet: Nicht Solaranlagen und Windräder seien für die aktuelle Wetterabhängigkeit des Stromsystems verantwortlich – sondern Struktur und Logistik der fossilen Energien.

Ein gutes Beispiel ist der Transport von Brennstoffen: Insbesondere Steinkohlekraftwerke werden über den Wasserweg mit Kohle versorgt. Aktuell ist dies aber nur eingeschränkt möglich, insbesondere auf der besonders wichtigen deutschen Wasserstraße Rhein. Laut Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt können Transportschiffe an dem wichtigen Knotenpunkt Kaub in Rheinland-Pfalz derzeit maximal zu einem Viertel beladen werden.

„Das führt dazu, dass man sich eben jetzt überlegen muss, wann man die Steinkohle verfeuert, die man noch hat – denn man weiß nicht, wann man wieder welche bekommen kann“, sagt Huneke. Grundsätzlich könne Kohle zwar auch per Straße oder auf der Schiene transportiert werden. „Aber da ist einfach die Logistik dahinter überhaupt nicht aufgebaut“. Die deutsche Bundesregierung will künftig Kohletransporte auf der Schiene priorisieren – Nachsehen hätte der Personenverkehr.

Ein weiteres Problem ist die Kühlung von Dampfkraftwerken: Ob Kern-, Steinkohle-, oder Braunkohlekraftwerk, alle erzeugen Strom mittels einer Dampfturbine. Sind die Pegelstände zu gering, droht das Kühlwasser knapp zu werden. Hinzu kommen Umweltauflagen, die einen Weiterbetrieb der Kraftwerke ab einer bestimmten Wassertemperatur verbieten.

Aktuell sind in Deutschland laut Huneke etwa nur neun von 15 Gigawatt Kapazität bei den Steinkohlekraftwerken verfügbar – unklar ist, ob dies an fehlendem Kühlwasser oder Brennstoff liegt. In beiden Fällen ist die aktuelle Dürre aber „definitiv“ zumindest eine Ursache des Problems, sagt der Experte.

Laufwasserkraftwerke und Speicherwasserkraftwerke können aktuell nur eingeschränkt Strom produzieren, weil weniger Wasser in den Flüssen und in den Speicherseen ist. Mit rund 3,4 Prozent Anteil am in Deutschland produzierten Bruttostrom machte Wasserkraft im vergangenen Jahr jedoch nur einen geringen Teil der Stromversorgung aus.

Stärker ins Gewicht fällt die Lage am europäischen Strommarkt: In Frankreich, normalerweise insbesondere im Sommer ein Stromexporteur, stehen derzeit viele Atomkraftwerke still. Grund sind neben fehlendem Kühlwasser insbesondere Korrosionsrisse in den Anlagen. Die Folge hierzulande: Gaskraftwerke müssen verstärkt laufen, um Strom nach Frankreich zu exportieren. „Ohne diese Nicht-Verfügbarkeit der Kernkraftwerke in Frankreich wären die Strompreise in Deutschland sehr viel geringer“, sagt Huneke.

Einen Ausbau der Infrastruktur für die Binnenschifffahrt oder das Schienennetz hält Huneke mit Blick auf die Stromversorgung allerdings für wenig lohnenswert. „Ich vermute, dass in der uns zur Verfügung stehenden Zeit die Steinkohlelogistik nicht wesentlich verbessert werden kann“, sagt er. Bleibt es beim Kohleausstieg 2030, hätten die Investitionen nur eine sehr kurze Lebensdauer.

Langfristig hilft laut dem Energieexperten nur eins: Der Ausbau der Erneuerbaren. „Diese Strommengen durch Technologien zu schaffen, die nicht abhängig sind von der Logistik fossiler Brennstoffe, ist auf jeden Fall das A und O“, sagt er. „Sowohl geopolitisch, als auch strategisch, als auch volkswirtschaftlich – und klimapolitisch sowieso“.

APA/ag

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