Der Chef der deutschen Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat trotz der Fortschritte beim Befüllen der deutschen Gasspeicher dazu aufgerufen, dringend weiter Gas zu sparen. Man könne sich nicht allein auf die Speicher verlassen, sagte Müller am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. „Die alleine würden uns nicht durch einen Winter durchtragen, wenn es besonders kalt wird oder Putin das Gas komplett abdrehen sollte“, betonte Müller.
Aktuell sind die deutschen Gasspeicher zu knapp 78 Prozent gefüllt. Laut Verordnung sollten es am 1. September mindestens 75 Prozent, am 1. Oktober mindestens 85 Prozent und am 1. November mindestens 95 Prozent sein. Müller verglich die Speicherung mit dem Aufpumpen eines Fahrradreifens. Die ersten Prozent seien die leichtesten. 85 und 95 Prozent zu erreichen, sei dann physikalisch anstrengender.
Den Winter werde man nur mit einem Dreiklang gut managen, mahnte Müller. Neben der Einspeicherung seien das der Bezug aus zusätzlichen Gasquellen und Einsparungen. Man werde über alle Sektoren hinweg mindestens 20 Prozent sparen müssen. „Dann kommen wir ohne eine Mangellage – mit ein bisschen Glück, wenn der Winter normal bleibt – durch die nächsten Monate.“ Müller machte aber zugleich klar, man müsse mindestens zwei Winter bestehen, um danach unabhängig von russischem Gas zu werden.
Der Behördenchef erinnerte daran, dass Privathaushalte nach eindeutiger europäischer Rechtslage bei einer Gasmangellage einen besonderen Schutzstatus genießen, ähnlich wie Krankenhäuser, Schulen, Polizei und ähnliche Einrichtungen. Dennoch rief er private Haushalte eindringlich zum Sparen auf. Jede eingesparte Kilowattstunde beim Gas helfe auch, Reduzierungen oder gar Abschaltungen in der Industrie zu vermeiden. Müller sprach in dem Zusammenhang von einer „Solidarität mit den Arbeitsplätzen“.
Zur Verbesserung der Gasversorgung sprach sich unterdessen FDP-Vize Wolfgang Kubicki für die Öffnung der Ostseepipeline Nord Stream 2 aus. „Wir sollten Nord Stream 2 jetzt schleunigst öffnen, um unsere Gasspeicher für den Winter zu füllen“, sagte Kubicki dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag). Es gebe „keinen vernünftigen Grund, Nord Stream 2 nicht zu öffnen“.
Wenn Russlands Präsident Wladimir Putin dann doch nicht mehr Gas liefere, habe Deutschland nichts verloren. „Kommt auf diesem Weg mehr Gas bei uns an, vielleicht sogar die komplette vertraglich zugesicherte Menge, wird das helfen, dass Menschen im Winter nicht frieren müssen und unsere Industrie nicht schweren Schaden nimmt“, betonte Kubicki. Dafür zu sorgen, sei oberste Pflicht der deutschen Bundesregierung. Genau aus diesem Grund seien andere Pipelines aus Russland ja nicht gekappt worden. „Wenn die Gasspeicher gefüllt sind, können wir Nord Stream 2 ja wieder schließen – und die anderen Pipelines auch, wenn wir unabhängig geworden sind. Aber das sind wir nun mal noch nicht“, betonte Kubicki.
Die Inbetriebnahme der fertigen Pipeline Nord Stream 2 wurde auf Eis gelegt. Über Nord Stream 1 liefert Russland derzeit nur rund 20 Prozent der möglichen Menge. Der russische Gaskonzern Gazprom macht technische Gründe dafür verantwortlich, europäische Regierungen halten dies für vorgeschoben.
APA/dpa