Grün heizen – Wie die Sozialbau AG wegkommt vom Gas

22. August 2022, Wien
Wärmepumpe in einem Dachboden in Wien-Leopoldstadt - Wien, APA/SOZIALBAU AG_VOGUS

Der Umstieg von Gasthermen hin zu Wärmepumpen oder anderen grünen Heizformen ist nirgends so schwierig wie in mehrgeschossigen Wohnbauten in Städten. Dass es geht, zeigt Ernst Bach auf einem Dachboden in der Miesbachgasse in Wien-Leopoldstadt. Seit zwei Wintern wird hier ein Drittel der Wohnungen mit grüner Wärme versorgt. Seit die Wärmepumpe läuft, führt der Direktor für den Bestand der Sozialbau AG Experten, Politiker und internationale Delegation durch diesen Dachboden.

Seit das Pilotprojekt in der Miesbachgasse gelungen ist und inzwischen 18 Häuser des gemeinnützigen Wohnbauträgers umgerüstet, weitere 15 in Bau und nochmals doppelt so viele in Planung sind, kann Bach einen Satz nicht mehr hören: „Es kann niemand mehr sagen, dass es nicht geht.“ Bei einem Rundgang für die APA zeigt er, wie die Leitungen durch den Kamin 52 Grad warmes Wasser in Wohnungen bringen und dort für wohlige Wärme im Winter sorgen.

Begonnen hat Bachs Projekt damit, die Gasthermen, die es in jeder Wohneinheit gibt, zu zentralisieren. Damit die Kosten gering bleiben, war der Plan, vorerst weiter mit einer Gastherme zu heizen, diese aber nicht mehr in den Wohnungen aufzustellen, sondern auf dem Dachboden, sodass mit einer Therme mehreren Wohnungen versorgt werden – das Projekt „Gemeinschaftstherme“ war geboren. In der Miesbachgasse nutzen bisher 8 der 21 Bewohner diese, für sie fällt die Thermenwartung und Rauchfangkehrung weg. Den 500 Liter Pufferspeicher ihrer Heizung sehen sie übrigens, wenn sie die Waschmaschine in der Waschküche befüllen. Aus statischen Gründen steht der Pufferspeicher nämlich nicht auf dem Dachboden, sondern im Keller.

Für Bach war von Anfang an klar, dass die Zentralisierung der Heizung und die „Gemeinschaftstherme“ nur ein Zwischenschritt sind. „Aber erst wenn die Zentralisierung geschafft ist, stehen die Türen für eine andere Heizungsart offen“, so Bach. Das Haus kann dann an die Fernwärme angeschlossen werden, oder die „Gemeinschaftstherme“ wird, wie in der Miesbachgasse geschehen, durch eine Wärmepumpe ersetzt. Und weil sie am Dachboden steht und nur die Abluft über das Dach ausgeblasen wird, brauchte es keine Baubewilligung. Die Aufstellung am Dachboden hat auch andere Vorteile. So kann die Wärmepumpe die Wärmeverluste der Wohnungen ebenso nutzen wie die Sonneneinstrahlung, die den Dachstuhl an sonnigen Wintertagen erwärmt.

Optimierungspotenzial sieht Bach aber trotzdem. Würde man etwa die Standard-Heizkörper in den Wohnungen gegen Wärmepumpenkonvektoren – das sind Heizkörper mit einem Lüfter für besonders kalte Tage – tauschen oder die Fassade dämmen, könnte man die Vorlauftemperatur senken und so den Wirkungsgrad der Wärmepumpe erhöhen und dann sogar billiger als mit Gas heizen. Für die Miesbachgasse schwebt Bach aber ein noch viel größeres Projekt vor, gemeinsam mit benachbarten Zinshäusern soll ein Energienetz mit Erdwärmesonden entstehen.

Auch bei anderen Sozialbau-Häusern setzt Bach auf Erdsonden, denn dank der Erdwärme in 80 bis 100 Metern Tiefe lassen sich mit einer Wärmepumpe aus einer Kilowattstunde Strom nicht 2 oder 3 sondern 5 Kilowattstunden Wärme erzeugen. „So viel Styropor gibt es gar nicht, um mit Fassadendämmung den gleichen Spareffekt zu schaffen“, so Bach. Dämmen werde dennoch immer wichtiger, auch um die Wohnungen bei Hitzewellen im Sommer kühl zu halten.

Die Umstellung der Heizungen in den Sozialbau-Häusern soll helfen, Energie und damit Heizkosten zu sparen, soll aber auch einen kleinen Beitrag gegen die globale Erderwärmung leisten. Dennoch macht sich Bach keine Illusionen, dass es in Wien noch heißer wird und die Hitzewellen infolge der bereits weltweit emittierten Treibhausgase noch häufiger und intensiver werden. „Wir müssen temperieren“, die Devise laute „Zwei Grad runter“, gibt Bach das Ziel vor. Gelingen soll die Kühlung der rund 45.000 Sozialbau-Wohnungen ebenfalls über Erdsonden. Die Abwärme – Wärmepumpen können im Sommer kühlen und erzeugen dabei Abwärme – soll dabei im Boden in 100 Meter Tiefe gespeichert werden, wo sie dann im Winter wieder heraufgeholt wird.

Das Warmwasser zum Duschen wird nach Installierung der „Gemeinschaftstherme“ übrigens mit 80 bis 100 Liter fassenden Elektroboilern erzeugt, der wird dort montiert, wo vorher die Therme hing. Aber auch der E-Boiler sei nur ein Zwischenschritt, denn sobald genug Mieterinnen und Mieter auf die Zentralheizung umgestiegen sind, kann dieser gegen einen Kombiboiler getauscht werden, sodass auch die Heizung einen Teil der Warmwasseraufbereitung übernimmt. In der Miesbachgasse ist zudem eine Photovoltaik-Anlage mit 10 Kilowatt Peak (kWp) installiert, die der Wärmepumpe und den Mietern gratis Strom liefern soll und so quasi auch „Power-to-heat“ ermöglicht, also überschüssigen Strom in Wärme umwandelt.

Von den 400.000 Wohnungen in Wien, die mit einer Gastherme beheizt werden, schätzt Bach, dass 200.000 Wohnungen leicht und 100.000 weitere mit etwas mehr Aufwand umgerüstet werden können. Bei den restlichen 100.000 Wohnungen, das betrifft vor allem Wohnungseigentümer, sei es schwierig, allerdings nicht aus baulichen oder technischen Gründen, sondern aufgrund juristischer Hürden und komplizierter Entscheidungsfindungsprozesse, die das Wohnungseigentumsgesetz mit sich bringt.

Bachs Appell lautet, die Häuser, wo es leicht geht, schon jetzt umzurüsten. Bei der Zentralisierung gebe es keinen Grund mehr, zu warten, selbst wenn in einem ersten Schritt weiter eine „Gemeinschaftstherme“ zum Einsatz kommt. „Wir müssen in die Masse gehen, und zwar jetzt“, sagte er mit dem Wissen, dass Österreich bis 2040 klimaneutral sein will und Heizungen oft 20 Jahre oder mehr in Betrieb sind.

Als gemeinnütziger Bauträger finanziert die Sozialbau AG den Umstieg aus dem Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag (EVB) der Bewohner, aber auch für gewerbliche Vermieter wie Zinshausbesitzer rechne sich die Investition in 15 Jahren, bei den jetzigen Energiepreise sogar früher. Auch für den Altbau kommen laut Bach Wärmepumpen infrage, bei Häusern mit gegliederter Fassade sollte es reichen, den Dachboden, die Kellerdecke und die meist nicht gegliederte Fassade im Innenhof zu dämmen.

APA

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