Wiener Gasabhängigkeit als Preistreiber

23. August 2022

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SP) gehört zu jenen, die seit Beginn der Teuerungswelle am lautstärksten nach einem von der Bundesregierung verordneten Preisdeckel für alles Mögliche rufen. Doch in der eigenen Stadt steigt Ludwig nicht auf die Bremse – im Gegenteil: Die Energiepreise sowie allerlei Gebühren werden in Wien in den nächsten Monaten kräftig erhöht.

Los geht es am 1. September bei der Wien Energie, dem größten Strom- und Gasversorger der Stadt, der die eigentlich erst mit Jänner vorgesehene Preiserhöhung um vier Monate vorgezogen hat: Der Strompreis steigt im Schnitt um 10 Euro pro Monat, der Gaspreis um 31 Euro pro Monat.

Die Auswirkungen der Gaskrise treffen Wien besonders stark, da nahezu jeder zweite Haushalt mittels Gastherme geheizt wird (470.000). In Niederösterreich ist Gas nur in rund jedem vierten Haushalt das Heizmittel der Wahl, in der deutschen Hauptstadt Berlin hängen rund 330.000 Gasthermen in Wohnungen. Der hohe Gasanteil ist historisch bedingt: Ende des 19. Jahrhunderts setzte Wien voll auf Kohlegaserzeugung, nicht nur Straßenlaternen sollten per Gas beleuchtet, sondern auch Haushalte derart mit Wärme versorgt werden (Stadtgas). Das ist über Rohre in einer Großstadt leichter möglich als im ländlichen Raum. Die Wiener Gasometer, heute längst zur Wohnanlage umgebaut, waren einer der größten Gasspeicher Europas, das Kraftwerk in Simmering das größte Mitteleuropas. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte der Umstieg aufs vermeintlich „sauberere“ Erdgas. Eine Entscheidung, die sich Jahrzehnte später rächt.

Der Rest der Wiener Heizleistung kommt überwiegend durch Fernwärme, an die 260.000 Haushalte angeschlossen sind. Die Fernwärme Wien hat ebenfalls eine saftige Preiserhöhung von 92 Prozent angekündigt. Auch daran ist zu einem großen Teil der Gaspreis schuld: Mehr als 50 Prozent der Fernwärme werden durch Gas erzeugt, in Spitzenzeiten sogar 65 Prozent, der Rest kommt aus Müllverbrennung, Biomasse und Wärmekraftwerken.

Der für Wien bis 2040 geplante Ausstieg aus fossiler Energie wird also noch einiges an Anstrengungen erfordern.
Gegen die akute Teuerung setzt die Stadtregierung eben keine Deckel, immerhin aber zahlreiche Zuschüsse. Bis Ende Juli wurden schon 39,6 Millionen Euro Energiebonus ausgezahlt, zunächst an einkommensschwache Bevölkerungsschichten. Weitere 200 Euro Energiebonus soll im vierten Quartal eine Million Wiener bekommen.
Demgegenüber stehen auch weitere Preissteigerungen: So wird die Gebührenerhöhung für Kanal, Müllentsorgung und Wasser 2023 nicht ausgesetzt, auch die Parkgebühren steigen nächstes Jahr.

Wo die Stadt selbst spart? Abstriche soll es heuer etwa bei der Weihnachtsbeleuchtung geben: Der Ring wird nicht illuminiert, die durchaus exzessive Beleuchtung beim Rathausplatz soll eine Stunde später als üblich erstrahlen.

Oberösterreichische Nachrichten