Alpenschutzkommission kritisiert Kaunertal-Kraftwerk-Ausbau

31. August 2022, Innsbruck/Kaunertal

Nach der „Kaunertal Erklärung“ vom Mai diesen Jahres, bei der 40 Vereine und Wissenschafter als Umweltallianz den sofortigen Ausbau-Stopp des Kraftwerks Kaunertal gefordert hatten, hat auch die Alpenschutzkommission CIPRA-International das Projekt nach einer Beurteilung durchfallen lassen. Die „ökologischen Schäden“ seien schlicht zu groß, hieß es von Seiten der Kommission, der über 100 Organisationen aus dem gesamten Alpenraum angehören.

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Besonders in drei der fünf von CIPRA erarbeiteten Punkten fällt das Kaunertal-Projekt durch. „Es geht uns etwa darum, die Süßwasserperlen der Alpen zu bewahren, den Ausbau der Wasserkraft vorausschauend zu planen und länderübergreifend zusammenzuarbeiten“, betonte der Geschäftsführer der CIPRA-International, Kaspar Schuler, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Innsbruck.

Besonders aus Sicht der Alpenkonvention, der auch Österreich angehöre, gelte es das Projekt Kaunertal genauer zu beleuchten, fügte Schuler hinzu. „Ich orte hier eine klare Vertragsverletzung“, sagte er, denn die alpinen Flüsse seien beispielsweise definitiv keine „Restwasserrinnen“. Das Bekenntnis zur „Unversehrtheit der Landschaft wird hier klar nicht einhalten“, sagte Schuler.

Es gelte jetzt, „Farbe zu bekennen“, richtete sich Schuler an den Energieversorger Tiwag und das Land Tirol. Mit einer neuen „Energiestrategie“ und einem „gemeinsamen europäischem Denken“ müsse man das Kaunertal-Projekt stoppen. „Es ist aus Sicht des Naturschutzes einfach nicht tragbar“, strich Schuler heraus. Es sei einfach nicht zu akzeptieren, dass „schöne Flüsse kaputt gemacht werden“, so der CIPRA-Geschäftsführer.

Warum man trotz der Kaunertal-Erklärung und der nunmehr erneuten Negativ-Beurteilung des Kaunertal-Kraftwerkes aus Umweltschutzsicht von Seiten des Landes und der TIWAG daran festhalte, war für Hanna Simons, Programmleiterin und stellvertretende Geschäftsführerin des WWF-Österreich, nicht nachvollziehbar. Sie schloss sich der Forderung von Schuler an: „Alle Parteien sollen sich gegen die Verbauung von Naturjuwelen einsetzen und alle weiteren Planungen hier im Kaunertal stoppen“.

Statt an dieser laut Simons „einseitigen und überholten Energiepolitik festzuhalten“, gelt es eine „Solar-Offensive“ zu starten, wiederholte sie eine WWF-Forderung, die bereits im Umfeld der Kaunertal-Erklärung gestellt wurde. Zudem sei laut Simons insgesamt „Energiesparen“ angesagt: „Eine Reduzierung des Verbrauchs um bis zu 50 Prozent ist möglich“. Denn wenn man so weitermache, sei der Energiebedarf weder von Wasserkraft noch durch sonstige Energiequellen zu decken, so Simons.

Eine scharfe Reaktion kam indes von Tirols ÖVP-Obmann und Landeshauptmannkandidaten Anton Mattle. Der Ausbau der Wasserkraft sei für ihn „nicht verhandelbar“, ließ Matte in einer Aussendung wissen: „Tirol ist ein Wasserkraftland und hat viel Potenzial bei der Photovoltaik und anderen erneuerbaren Energieträgern. Ohne die Nutzung dieses Potenzials wird uns die Energiewende und effektiver Klimaschutz aber nicht gelingen.“ Mit der „sturen Haltung“ gegen den Ausbau der Wasserkraft befeuere der WWF nur Abhängigkeiten aus dem Ausland und verzögere den Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl, reagierte Mattle.

Diametral hingegengesetzt hingegen die Reaktion des Koalitionspartners Grüne. Die fachliche Beurteilung von CIPRA und dem WWF sei „ernst zu nehmen.“, meinte Landtagswahl-Listenzweite Petra Wohlfahrtstätter. „Wir waren dem Kraftwerk Kaunertal gegenüber immer kritisch und ein weiteres Mal bestätigt sich, dass dieses Kraftwerk nicht der Zielsetzung des „ökologisch vertretbaren“ Ausbaus entspricht“, so Wohlfahrtstätter in einer Aussendung. Einmal mehr pochten die Grünen auf einen raschen und konsequenten Ausbau von Photovoltaik in Tirol und versetzten dem Koalitionspartner einen Seitenhieb: „Wäre der PV Ausbau von der ÖVP mit freundlicher Unterstützung der Tiwag nicht über Jahre verschleppt und blockiert worden, wären wir heute nicht in der misslichen Lage von russischem Gas derart abhängig zu sein.“

Die Pläne für das Mega-Pumpspeicherkraftwerk waren erstmals 2009 eingereicht worden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung für die rund zwei Milliarden Euro teure Erweiterung des Kraftwerks Kaunertal befindet sich aktuell in der Vollständigkeitsprüfung. Für das Projekt plant die Tiwag bis zu 80 Prozent des Wassers aus dem 34 Kilometer entfernten Ötztal – einem der niederschlagsärmsten Täler Tirols – auszuleiten. Nach der Fertigstellung würden rund 787 Millionen Kilowattstunden pro Jahr aus natürlichem Zufluss zusätzlich erzeugt. Damit könnten rund 300.000 Tonnen CO2 jährlich gespart werden, wurde betont. Die Tiwag lege außerdem „großen Wert auf Zusatznutzen für die Projektregion durch Infrastruktur- und Ausgleichsmaßnahmen sowie regionale Zukunftspakete“, hatte es geheißen. Zudem würden im Platzertal neun Fußballfelder an Moorflächen geflutet. Mit seinen 120 Metern wäre der Staudamm fast so hoch wie der Stephansdom in Wien und sieben Mal so hoch wie das Goldene Dachl.

APA

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