Frankreich wegen AKW-Ausfällen zwischen Hoffen und Bangen

31. August 2022, Paris

Der Ausfall von gleich mehreren Atomkraftwerken hat in Frankreich Befürchtungen vor einer mangelnden Stromversorgung im Winter ausgelöst. Auch als Stromlieferant für Nachbarstaaten wie Deutschland könnte das Land ausfallen. Erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2012 ist Frankreich beim Strom zum Nettoimporteur geworden, wie aus Daten des Beratungsunternehmens EnAppSys hervorgeht. Die Produktion der Kernkraftwerke ist auf den tiefsten Stand seit 30 Jahren gefallen.

Die 56 Kernkraftwerke sind das Rückgrat der Stromversorgung in Frankreich. Rund 70 Prozent des Bedarfs werden durch sie gedeckt. Eine Welle von Reparaturen und überfälligen Wartungsarbeiten hat die Stromproduktion allerdings sinken und Preise steigen lassen. Hinzu kommt, dass einige zur Kühlung an Flüssen liegende Meiler in diesem von Hitzewellen geprägten Sommer ihre Produktion drosseln müssen, um die Gewässer nicht zusätzlich zu erwärmen. Ende August waren nach Daten des AKW-Betreibers EdF knapp 30 Prozent der Kernkraft-Kapazitäten nicht am Netz.

Die Strompreise in Frankreich sind deshalb mit mehr als 1.000 Euro je Megawattstunde auf Rekordkurs. Vor einem Jahr lagen sie noch bei etwa 70 Euro je Megawattstunde. „Die explodierenden Stromkosten sind eine Gefahr für die Wirtschaft“, sagt Norbert Rücker, Leiter Economics & Next Generation beim Bankhaus Julius Baer. Die Lage der Kernkraftwerke in Frankreich könne eine größere Herausforderung werden als Russlands Kürzungen der Gaslieferungen.

Die Planungen von EdF sehen vor, dass bis Dezember die Stromproduktion der Atomkraftwerke auf rund 50 Gigawatt täglich steigt – von derzeit 27 Gigawatt. Einige Experten schätzen dies als zu optimistisch ein. In einem durchschnittlichen Jahr produzieren die Atomkraftwerke des Landes rund 400 Terawattstunden Strom. Etwa zehn Prozent davon gehen in warmen Monaten ins Ausland. An besonders kalten Wintertagen importiert Frankreich Strom aus dem Ausland, insbesondere aus Deutschland. In diesem Jahr sieht das anders aus. EdF geht von einer Produktion von 280 bis 300 Terawattstunden aus – der niedrigste Wert seit 1993. Im Sommer hat Frankreich sogar Strom aus Deutschland und Belgien importiert – in einer Zeit, in der EdF normalerweise Strom exportiert.

„Die Aussichten für den Winter sind besorgniserregend“, sagt der Pariser Energieexperte Mycle Schneider. Sechs von Reuters befragte Analysten schätzen, dass die Prognosen von EdF zu hoch gegriffen sind. Dies gelte vor allem für die Zeit Ende Jänner. Frankreich müsse womöglich Strom zu einer Zeit importieren, zu der in Europa Energie ohnehin knapp ist. EdF hat in diesem Jahr bereits mehrfach seine Prognosen für die Stromproduktion der AKW nach unten korrigieren müssen. EdF-Chef Jean-Bernard Levy versprach am Montag, dass der Konzern alles unternehmen werde, um weitere Stromausfälle zu vermeiden.

APA/ag

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