SPÖ für EU-weit gemeinsamen Gaseinkauf

8. September 2022, Wien
Christian Kern und Pamela Rendi-Wagner - Wien, APA/ROLAND SCHLAGER

Einen Tag vor dem Sondertreffen der EU-Energieminister haben SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Ex-SPÖ-Kanzler Christian Kern Vorschläge für Eingriffe in die Energiemärkte vorgelegt. Vorgeschlagen wird ein EU-weit gemeinsamer Einkauf für Gas. An die Wirtschaft und die Haushalte soll das Gas dann zu einem subventionierten Preis von 50 Euro pro MWh weitergegeben werden. Zudem sollen vorübergehend europaweit Höchstpreise für Strom und Gas von der Politik festgesetzt werden.

Beide sprachen sich für strukturelle Eingriffe in das aktuelle System aus. „Ein starker Eingriff in den Markt ist dringend notwendig, um größeren Schaden von den Volkswirtschaften abzuwenden“, sagte Rendi-Wagner am Donnerstag. Bei den Unternehmen seien die hohen Energiepreise aufgrund von längerfristigen Verträgen noch gar nicht vollständig angekommen. „Die ganze Wucht wird uns erst erreichen“, so Kern.

Die derzeit vorliegenden politischen Vorschläge seien großteils unkoordiniert und „ohne großen Masterplan“, bemängelte Kern. Dem russischen Präsidenten Vladimir Putin mache man es damit viel zu einfach, Europa einen Gaspreis aufzuerlegen.

Dementsprechend schlägt die SPÖ einen „Single-Buyer-Prozess“ vor, bei dem die EU zentralisiert Gas einkauft. Durch den gemeinsamen Auftritt der Mitgliedsstaaten am Gasmarkt könne auch die Spekulation eingedämmt werden, so Kern. Weitergegeben werden soll dann an Haushalte und an die Industrie ein gestützter Preis von 50 Euro pro MWh. Die durch die Differenz entstehenden Kosten beziffert der SPÖ-Alt-Kanzler, der auch etwa 15 Jahre beim Energieversorger Verbund tätig war, für Österreich auf rund 9 Mrd. Euro.

Dem stünde jedoch ein doppelt so hoher Einspareffekt gegenüber, Kern bezifferte ihn auf 21 Mrd. Euro. Die Rechnung dahinter gestaltet sich jedoch komplexer. In Österreich entstehen rund 15 Prozent des Stroms aus Gas. „Die 15 Prozent, die Sie subventionieren führen dazu, dass die anderen auch dramatisch billiger werden“, so Kern. Durch die Subventionierung der im Merit-Order-System preissetzenden Kraftwerke, nämlich der Gaskraftwerke, würden also nicht nur die Gaspreise, sondern auch die Preise für Wasserkraft, Wind, Solar, etc. deutlich sinken. „Das heißt, Sie beeinflussen in Wahrheit 15 Prozent des Strommarkts und erreichen aber einen Effekt von 100 Prozent auf dem Strommarkt.“

Die SPÖ will, dass sich die heimische Regierung für die Vorschläge auf EU-Ebene einsetzt. Sollte das Konzept eines gemeinsamen Einkaufs und eines gestützten Gaspreises nicht umgesetzt werden, plädiert die Oppositionspartei für eine Umsetzung auf nationaler Ebene. In diesem Fall hätte ein durchschnittlicher Haushalt mit einem Verbrauch von 3.500 Kilowattstunden (kWh) Strom und 15.000 kWh Gas laut SPÖ-Modell im Jahr eine Ersparnis von 4.000 Euro.

Die Rufe nach raschen Maßnahmen zur Eindämmung der Gas- und Strompreise auf EU-Ebene werden auch in der Wirtschaft immer lauter. So sprachen sich die europäischen Wirtschaftskammern Eurochambres am Donnerstag für rasche Maßnahmen zur Preisreduktion auf den Energiemärkten aus. „Dieses Problem ist nicht allein nationalstaatlich zu lösen, da muss Europa in die Gänge kommen“, sagte WKÖ-Vizepräsidentin und Eurochambres-Vizepräsidentin Martha Schultz. Es müsse Unterstützungen für die Unternehmen geben – in Form finanzieller Kompensationen und schnellerer Genehmigungsverfahren für Umweltprojekte.

Auch temporäre Eingriffe in das Strommarkt-System würde die WKÖ befürworten. „Wir brauchen ein neues Marktdesign, das den Strompreis wieder vernünftig definiert. Der Gaspreis darf nicht länger den Strompreis vorgeben“, hieß es von der WKÖ-Spitze. Auch ÖGB-Chef Wolfgang Katzian forderte heute eine Trennung des Strom- und Gasmarktes durch ein Aussetzen der Merit-Order.

APA

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