Strompreisdeckel: Regierung sponsert Tarif bis Mitte 2024

8. September 2022, Wien
Die Energiepreise stiegen rasant, die Regierung griff ein - Wien, APA/ROLAND SCHLAGER

Die lange erwartete Strompreisbremse kommt und sie wird nicht billig. Der Ministerrat beschloss heute, dass der Preis bis zu einem Verbrauch von 2.900 Kilowattstunden staatlich gesponsert wird. Für sozial Schwache wird es eine zusätzliche Zuwendung geben. Das ganze gilt überraschenderweise sogar bis Mitte 2024. Damit werden die Kosten laut Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) drei bis vier Milliarden betragen. Erstmals wird man den Effekt auf der Dezember-Rechnung sehen.

Konkret sieht das Modell so aus, dass bis zu einem durchschnittlichen Jahresverbrauch – eben 2.900 Kilowattstunden – nur der Vorkrisen-Tarif von zehn Cent pro kWh zu entrichten ist. Für den Verbrauch darüber ist der jeweilige Marktpreis zu entrichten.

Es könnte allerdings im Extremfall für den Konsumenten doch noch etwas teurer werden als die zehn Cent, dann nämlich wenn der Anbieter einen Preis von über 40 Cent vorschreibt. Denn maximal werden 30 Cent staatlich übernommen.

Selbst tun muss man für die Bremse nichts. Denn der Abzug erfolgt automatisch. Mit dieser, wie Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sie nannte, „schnellen, einfachen und niederschwelligen Lösung“ begründet man auch, warum sozial nicht mehr differenziert wird. Denn das hätte mehr Bürokratie erfordert und vor allem länger gedauert.

300.000 sozial schwächere Personen, die von der Rundfunkgebühr (GIS) befreit sind, können aber auch bei diesem Modell zusätzlich entlastet werden. Bei ihnen wird es zusätzlich einen Abschlag von 75 Prozent der Netzkosten geben – eine Entlastung von bis zu 200 Euro. Auch Haushalte mit mehr als drei Personen können weitere Vergünstigungen erzielen – das allerdings nur auf Antrag und außerdem ist das Modell noch nicht fertig ausgearbeitet. Gleiches gilt für die geplanten Entlastungen für die Wirtschaft.

Profitieren werden – nicht ganz unumstritten – auch Zweitwohnsitze, womit wohl ein begütertes Publikum mit schönen Ferienhäusern eine Freude haben wird. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) verwies im Pressefoyer nach der Regierungssitzung jedoch darauf, dass man hierbei ja auch Wochenpendler und Studenten berücksichtigen müsse.

Bestehen können neben der Bundesförderung Landesenergieförderungen, die – wie in Niederösterreich – in der Krise bereits gewährt wurden. Wie Kanzler Nehammer betonte, liege es in der Eigenverantwortung der Länder, über die Maßnahmen des Bundes hinaus zugehen.

Kritik der westlichen Bundesländer, dass ihre Bürger im Gegensatz zu jenen im Osten kaum profitieren würden, da in Tirol und Vorarlberg der Strompreis aktuell deutlich niedriger ist, kommentierte der Kanzler nicht direkt. Nehammer verwies auf den langen Förderungszeitraum, damit die Subventionierung auch dann noch gelte, wenn die höheren Preise im Westen angekommen seien.

Klar gemacht wurde von der Regierung bei dem gemeinsamen Auftritt nach dem Ministerrat, dass die Bremse, auch wenn sie einem Haushalt durchschnittlich 500 Euro erspart, nicht vom Energiesparen entbinde. Eine entsprechende Kampagne kündigte Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne) für Mitte September an. Vehement verteidigt wurden von Gewessler und Nehammer auch die Sanktionen gegen Russland. Man dürfe sich nicht von Präsident Wladimir Putin auseinander dividieren lassen.

„Natürlich“ viel zu spät kommt die Maßnahmen für die SPÖ, wie der stellvertretende Klubchef Jörg Leichtfried befand. Immerhin ist er froh, dass überhaupt etwas kommt. Der Chef der sozialdemokratischen Gewerkschafter Rainer Wimmer drängte darauf, dass nun auch eine Preisbremse auf andere Energieträger wie Gas, Pellets oder Heizöl folgen müsse. Seitens der FPÖ erkannte Parteivorsitzender Herbert Kickl eine „halbherzige Problembehandlung“.

Greenpeace und Global 2000 missfiel an der Bremse, dass diese nicht zum Energiesparen motiviere. Für Attac fehlt durch die fehlende Verknüpfung mit Haushaltsgrößen die soziale Treffsicherheit. Anstelle des vage skizzierten Antragssystem für zusätzliche Hilfen bei Mehrpersonenhaushalten wäre eine automatisierte soziale Staffelung auf Basis valider Daten gerade für Armutsbetroffene und Armutsgefährdete wichtig, verlangte Caritas-Präsident Michael Landau.

APA