Brüssel will Stromsparpflicht für alle Bürger

13. September 2022, Brüssel
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Preiskrise. Die EU-Kommission will den Mitgliedstaaten vorschreiben, zu Spitzenzeiten bis zu fünf Prozent des Verbrauchs zu kappen. Zudem will sie eine Sondersteuer für Energieversorger.

Gut zureden allein reicht nicht: Zu dieser Einsicht ist die Europäische Kommission in der Frage gekommen, wie Europa durch den Winter kommt, ohne angesichts der Verknappung von und exorbitanter Preisanstiege für Gas und Strom Energie rationieren zu müssen. In ihrem fünfseitigen Vorschlag für die Krisentagung der EU-Energieminister am Freitag in Brüssel schlägt sie darum vor, die Bürger und Unternehmen in allen Mitgliedstaaten zum Stromsparen zu verpflichten. „Was den Verbrauch zu Spitzenzeiten betrifft, würde diese Maßnahme verpflichtende Einsparungsziele für die Mitgliedstaaten während Höchstverbrauchszeiten vorsehen“, heißt es in dem Papier. In einem Entwurf dafür, der unter anderem der „Financial Times“ zugesteckt worden war, hatte die Kommission noch vorgeschlagen, dass Europas Stromverbrauch zu diesen Spitzenzeiten um mindestens fünf Prozent zu senken sei. Diese konkrete Zahl ist aus der Endfassung verschwunden. „Es ist nicht der Moment für Zahlen, bevor die Diskussion mit den Ministern stattgefunden hat“, kommentierte eine hohe Kommissionsbeamte diese Änderung.

Wie will Brüssel diese Sparpflicht durchsetzen? „Die Mitgliedstaaten würden die Mittel definieren, um diese Ziele zu erreichen.“ Wie schon in einer früheren Version dieses Papiers, über welche „Die Presse“ berichtet hat, empfiehlt die Kommission, staatliche Subventionen fürs Stromsparen an genau definierte Verbrauchergruppen (also Privatkunden, vertreten durch ihre Energieversorger, und Industriebetriebe) zu versteigern. Sprich: Wer die geringste Subvention für eine Verbrauchsphase bietet, bekommt den Zuschlag.

Wie soll das bezahlt werden? Durch Einnahmen aus den anderen Maßnahmen, welche die Kommission zur Debatte stellt. Wie berichtet, sollen all jene Elektrizitätsunternehmen, die niedrigere Kosten haben als der jeweils teuerste Gaskraftwerksbetreiber, einen Gutteil der daraus erfolgenden Übergewinne an die Verbraucher zurückzahlen müssen. Das beträfe also sämtliche erneuerbaren Energieträger, Kohle und Kernkraft. „Mit diesen Gewinnen haben sie nie gerechnet, von diesen Gewinnen hätten sie nie geträumt, und diese Gewinne können sie unmittelbar nicht reinvestieren“, begründete Ursula von der Leyen, die Kommissionspräsidentin, diesen Vorschlag. Im Entwurf des Papiers war von einer Deckelung bei 200 Euro pro Megawattstunde die Rede.

Solidaritätsabgabe

Eine weitere Quelle, um Europas Energiepreise zu dämpfen, soll eine „Solidaritätsabgabe“ für alle Betreiber kalorischer Kraftwerke werden — ob es um Kohle, Gas oder Öl geht. Über deren Höhe lässt sich die Kommission in ihrem Papier nicht aus. Sie nennt jedoch ausdrücklich „Unterstützung für Unternehmen in energieintensiven Branchen wie Düngerproduktion“ als mögliche Nutznießer.

Weiters schlägt die Kommission Änderungen vor, um drohende Zahlungsausfälle von Energieversorgern zu verhindern, die aufgrund der rasanten Preisanstiege nicht mehr genug Sicherheiten für ihre Transaktionen hinterbringen können: „Das könnte eine weitere Bandbreite an Assets umfassen, die zur Besicherung verwendet werden können, die Erleichterung der Umwandlung von Sicherheiten, Bankgarantien und Staatsgarantien.“ Die Europäische Zentralbank (EZB) spielt in den Überlegungen der Kommission, anders als vom tschechischen EU-Ratsvorsitz lanciert, keine Rolle als möglicher Garant.

Und schließlich will die Kommission einen Preisdeckel für russisches Pipelinegas. Die Drohung des russischen Präsidenten, Wladimir Putin, in diesem Fall gar kein Gas mehr zu liefern, ließ sie unberührt: „Wir sehen seit Monaten, dass Putin den Gasmarkt manipuliert. Deshalb sollten wir uns durch diese Ankündigungen nicht beeindrucken lassen. Sie wären so oder so gekommen.“

von unserem Korrespondenten Oliver Grimm

Die Presse