Kritik am Strompreisdeckel

13. September 2022, Wien
41910348368753362_BLD_Online

Energie. Die Regierung stellte ihren vier Milliarden Euro schweren Strompreisdeckel vor — und stößt damit auf Kritik von Experten, auch vom Urheber des Modells.

So einfach wie möglich „den Menschen weiter zu helfen“, mit ihren hohen Stromrechnungen zurechtzukommen: Das war, wie Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) erklärte, das Ziel der Bundesregierung mit der Strompreisbremse, an der man nun wochenlang gebastelt hat. Aus Konsumentensicht einfach ist das vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) angeregte Modell, das am Mittwoch nach dem Ministerrat präsentiert wurde, allemal: Ohne dies extra beantragen oder irgendeinen Behördenweg gehen zu müssen, deckelt der Bund den Strompreis ab Dezember pro Kilowattstunde bei zehn Cent.

„Das orientiert sich“, so Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), „an den Preisen vor der Krise“. Ab einem Jahresverbrauch von 2900 Kilowattstunden muss indes der normale Marktpreis bezahlt werden. Die Größe des Haushalts spielt in den allermeisten Fällen keine Rolle, die Grenze von 2900 Kilowattstunden gilt für alle. Gezogen wird die Bremse bis Mitte 2024, davon umfasst sind auch Nebenwohnsitze — womit sich für Zweitwohnungsbesitzer ein geförderter Strombedarf von 5800 Kilowattstunden ergibt. Für Mehrparteienhäuser, die sich einen Zähler teilen, wird laut Regierung ein Antragsmodell ausgearbeitet — bis Dezember werde sich das allerdings nicht ausgehen, heißt es aus dem Finanzressort. Für Geringverdiener wird erneut eine zusätzliche Förderung beschlossen: Jene rund 300.000 Personen, die aufgrund geringer Einkünfte von den Rundfunkgebühren befreit sind, bekommen einen 75-prozentigen Nachlass bei den Netzkosten, das entspricht laut Finanzressort weiteren 200 Euro. Kogler fasste die türkis-grüne Maßnahme zusammen als „begünstigten Grundbedarf für Kühlschränke, Licht, Waschmaschinen“ und dergleichen mehr — „und nicht für fünf Elektroautos oder Swimmingpools“. Einmal mehr erklärten er und Kanzler Nehammer, dass ihr Modell auch Anreize zum Stromsparen beinhalte.

„Vom Spargedanken nichts übrig“

Nur: Laut Experten sind die Sparanreize in der fülligen Förderung — die Kosten für die Bremse liegen laut Finanzministerium bei rund vier Milliarden Euro — ausgerechnet in Zeiten der Energiekrise viel zu gering. Selbst der Urheber dieses Stromrechnungsdeckels, Wifo-Chef Gabriel Felbermayr, fände seine Idee teilweise „korrumpiert“, wenn der Strom „zu 100 Prozent bezuschusst wird und vom Spargedanken nichts mehr übrig bleibt“. Laut E-Control betrifft dies ungefähr jeden zweiten Haushalt — ganz zu schweigen von Niederösterreichern, die noch extra eine landeseigene Strompreisbremse dazubekommen. Für Haushalte mit wenigen Personen sei die Förderung „sehr großzügig bemessen“, sagt Felbermayr. Und: „Durch die fehlende Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenwohnsitz ist die Treffsicherheit des Instruments weiter deutlich eingeschränkt.“ Grundsätzlich findet er es jedoch „begrüßenswert“, dass einzelne wichtige Punkte des Wifo-Modells aufgegriffen wurden. Die Doppelgleisigkeit aufgrund der niederösterreichischen Strompreisbremse kritisiert er. Derzeit bedeuten die Pläne, dass Niederösterreicher bis zu einer gewissen Schwelle elf Cent Förderung pro Kilowattstunde bekommen — während der Bund den Preis einer Kilowattstunde bei zehn Cent deckelt. Felbermayr: „Da braucht es dringend abstimmende Gespräche.“

Noch deutlicher fällt die Kritik von Franz Schellhorn, Chef des wirtschaftsliberalen Thintanks Agenda Austria, aus: „Es fehlt die Treffsicherheit, fast alle bekommen dasselbe, man verteilt also wieder einmal Helikoptergeld.“ Die türkis-grüne Preisbremse sei „eine der schlechtesten Möglichkeiten“, gegen die hohen Strompreise vorzugehen, besser fände er Einmalzahlungen an Geringverdiener sowie Steuersenkungen. „Stattdessen hat man eine Tür geöffnet, die nicht mehr zu schließen ist“, sagt Schellhorn — und spielt damit auf bereits angestellte Überlegungen an, weitere Preisbremsen für Unternehmen und beim Gas zu ziehen. Weil auch Länder und Gemeinden mit eigenen Paketen gegen die hohen Energiepreise vorgehen und damit „Doppelförderungen“ entstünden, so Schellhorn, müsse man „einmal prüfen, ob es nicht schon genug ist“. Schellhorn: „Denn bei all dem geht es ja um unglaubliche Summen, die irgendwann einmal jemand zahlen muss.“

von Klaus Knittelfelder

Die Presse

Ähnliche Artikel weiterlesen

„Wollen grüne Energie, nicht teure Energie“

26. April 2024

Global rasanter Anstieg bei installierter Batterieleistung

25. April 2024, Wien/Paris
Wind- und Solarstrom muss in Batterien zwischengespeichert werden
 - Middelharnis, APA/AFP/ANP

Industrie bangt um Gasversorgung ab Jahresende

22. April 2024, Wien
Industrie braucht Lieferung von russischem Gas über die Ukraine
 - Lubmin, APA/dpa

Groninger Gasförderung stoppt nach über 60 Jahren

19. April 2024, Groningen
Alle Anlagen sollen abgebaut werden
 - Garrelsweer, APA/AFP