Interne Dokumente bringen Ölmultis in Erklärungsnot

21. September 2022

Greenwashing. Konzerne sollen Öffentlichkeit absichtlich getäuscht haben Mineralölkonzern Shell in einer Aussendung

In den USA müssen sich Öl- und Gaskonzerne vorwerfen lassen, die Öffentlichkeit über getroffene Maßnahmen zur Energiewende zu täuschen. Diese seien nicht mehr als Lippenbekenntnisse zu Marketingzwecken, während man weiterhin auf fossile Energieträger setzt, so der Vorwurf.

Der Auslöser waren mehrere Hundert Seiten interner Kommunikation von Ölmultis wie ExxonMobil, Shell, Chevron oder BP, die im Zuge einer Kongressanhörung an die Öffentlichkeit gekommen sind. Die Versprechen zum Klimaschutz basierten auf unerprobten Technologien, irreführenden Formulierungen und Kunstgriffen in der Berechnung, so der Abgeordnete Rohit Khannan von den Demokraten. Die Ölmultis würden wissentlich den Planeten zerstören und sich dabei noch über Umweltschutz und Aktivisten mokieren. Ein Beispiel dafür sei etwa die Herstellung von Biosprit aus Algen. Diese wurde zwar etwa von ExxonMobil als Weg zur Dekarbonisierung beworben, intern wurde aber offen ausgesprochen, dass die Technologie vielleicht erst in mehreren Jahrzehnten wirtschaftlich relevant sein würde.
Ausgerechnet der bei ExxonMobil für Umweltpolitik zuständige Manager erinnerte Konzernchef Darren Woods 2019 in einem Memo, auf Referenzen zu den Pariser Klimazielen zu verzichten. Bei Shell will man offiziell zwar bis 2050 klimaneutral sein, intern wurde aber betont, dass das nichts mit dem Geschäftsplan zu tun habe. In einem eMail aus dem Jahr 2020 steht, der Konzern habe „keine unmittelbaren Pläne“, Schritte zu einem emissionsfreien Portfolio zu setzen. Zumindest nicht in den nächsten 10 oder 20 Jahren.

Sowohl ExxonMobil als auch Shell erklärten, bei den Dokumenten handle es sich um teils alte und aus dem Zusammenhang gerissene Fragmente, die ein falsches Bild erzeugen würden.

Neue Förderprojekte

Anders sieht das die US-Abgeordnete Carolyn Maloney (Demokraten). Demnach würden die Dokumente zeigen, dass Energiekonzerne mit irreführender Öffentlichkeitsarbeit von ihrer zentralen Rolle in der Klimakrise ablenken, während sie Rekordprofite einfahren.

Dafür spricht, dass die großen Öl- und Gaskonzerne weltweit massiv in den Ausbau der Förderung investieren. Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, dürfte die Menschheit bis zum Ende des Jahrhunderts noch 500 Milliarden Tonnen CO₂ produzieren. Laut einer Hochrechnung des britischen Guardian vom Mai diesen Jahres sprengen die weltweit neu geplanten Förderprojekte der globalen Öl- und Gasindustrie diesen Rahmen bereits im Alleingang.
Der Thinktank Influence Map attestiert eine „systematische Schieflage“ in der Selbstdarstellung von Ölkonzernen. So hat eine Auswertung von mehr als 3.400 öffentlichen Mitteilungen von BP, Shell, ExxonMobil, Chevron und Total aus dem Jahr 2021 ergeben, dass „grüne“ Projekte in 60 Prozent davon erwähnt werden. Dabei entfallen im Durchschnitt dieser fünf Konzerne nur 12 Prozent der Investitionen auf diese Felder.

„Wir veröffentlichen seit Jahrzehnten Klimapfade – diese stellen aber nicht unseren aktuellen Business-Plan dar“
Mineralölkonzern Shell in einer Aussendung

Kurier

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