Ersatz von russischem Gas durch LNG kostet 50 Mrd. Euro

22. September 2022, Wien
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Um den beispiellosen Engpass bei der Gasversorgung in Europa auszugleichen wurde der Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) massiv gesteigert. „Das ist sehr wichtig für die Versorgungssicherheit“, sagt der Leiter EU-Energieregulierungsbehörde ACER, Christian Zinglersen. „Das ist aber auch mit gewaltigen Kosten verbunden. Wir schätzen die zusätzlichen Kosten auf mindestens 50 Mrd. Euro. Natürlich treibt das die Gaspreise in die Höhe.“

„Man würde annehmen, dass die Stromerzeugung aus Gas heuer zurückgegangen ist. Falsch – sie war in Wahrheit höher“, sagte Zinglersen am Donnerstag beim „Oesterreichs Energie Kongress 2022“ in Wien. Schätzungen zufolge sei heuer um 5 bis 6 Prozent mehr Strom aus Gas erzeugt worden als im vergangenen Jahr. Die Stromerzeugung aus Kohle sei gegenüber dem Vorjahr um 12 Prozent gestiegen. „Wie kann das sein bei so hohen Preisen? Weil es eine Knappheit im System gibt. Wir haben nicht genug Strom in Europa.“

Dafür gebe es vor allem zwei Gründe: Die Erzeugung von Atomstrom sei deutlich gesunken, weil mehr als die Hälfte der französischen Atomkraftwerke außer Betrieb sei, und auch die Stromerzeugung aus Wasserkraft sei stark gesunken. Frankreich sei traditionell ein bedeutender Stromexporteur, jetzt sei das Land aber ein wichtiger Stromimporteur, erklärte der Direktor von ACER (Agency for the Cooperation of Energy Regulators). Allein diese Veränderung entspreche dem Strombedarf Griechenlands oder Portugals.

„Wir haben also eine beispiellose Angebotsknappheit bei Gas und bei Strom und große Unsicherheit, wie sich diese Situation weiter entwickeln wird und welche Interventionsmaßnahmen ergriffen werden. Wenn ein Marktrahmen das nicht in hohe Gaspreise, hohe Strompreise und große Volatilität übersetzen würde, würde ich sagen, dass mit dem System etwas sehr falsch läuft.“ Daher sollte man das bestehende System nicht sofort verwerfen, sondern diskutieren, wie man es verbessern und anpassen könnte, so Zinglersen. Dabei müsse man zwischen kurz- und langfristigen Maßnahmen unterscheiden.

„Wir müssen aufpassen, dass wir den Strommarkt nicht kaputt machen“, warnte auch Kristian Ruby, Generalsekretär des europäischen Branchenverbandes Eurelectric. „Wir sehen natürlich schon, dass private Unternehmen in dieser Situation nicht endlos einkassieren können. Wir sehen aber auch, dass wir momentan nicht die Ursachen bekämpfen, sondern die Folgen der Situation. Es wird für Herrn Putin nichts ändern, dass wir in den Strommarkt eingreifen.“ Ändern würde sich nur dann etwas, wenn man den Geldstrom nach Russland begrenzen würde. „Wir haben mehr als 100 Mrd. Euro nach Russland geschickt, seitdem dieser Krieg angefangen hat.“ Man sei „ein bisschen besorgt“ gewesen über die Signale der Kommissionspräsidentin für das langfristige Marktdesign. „Schnell einmal Merit Order aus dem Fenster zu schmeißen und durch nichts zu ersetzen, weil wir haben ja nicht gehört, was stattdessen kommt, das finde ich sehr gefährlich.“

Man sei heute in einer Ausnahmesituation, sagte der österreichische Energieregulator Wolfgang Urbantschitsch. „Hier ist es tatsächlich auch gerechtfertigt kurzfristig in den Markt einzugreifen.“ Man müsse aber auch daran denken, wie es mittelfristig weitergehen soll. „Ich bin davon überzeugt, dass ein wettbewerbsorientierter Markt nach wie vor der richtig ist, um die Energiewirtschaft richtig aufzustellen und die Energieversorgung sicherzustellen“, so der E-Control-Vorstand. „All das, was wir jetzt tun, sollte nur auf Zeit sein, um durch diese schwierige Phase zu kommen.“

Jedenfalls richtig sei es, die Nachfrage zu reduzieren. „Das bewirkt natürlich auch eine Reduktion des Preises. Und insoweit begrüßte ich sehr wohl die Vorschläge der Europäischen Kommission in diesem Zusammenhang sehr.“

APA

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