Verstärkter Gasfluss nach Österreich

5. Oktober 2022

Auch zu Wochenbeginn ist mehr Gas ins Land gekommen als zuletzt. Der Füllstand der Speicher liegt bei den angepeilten 80 Prozent und dürfte noch steigen. Für diesen Winter sollte das reichen.

Ein Etappenziel ist erreicht, wenn auch teuer erkauft: Die Gasspeicher in Österreich sind mittlerweile zu gut 80 Prozent gefüllt. Für das vorsorglich eingespeicherte Gas haben die heimischen Versorger, internationalen Händler und lokalen Industriebetriebe aber ein Vielfaches dessen bezahlt, was 2021 in Vorbereitung auf die kalte Jahreszeit nötig war.
Haushalte in Österreich sind über die Mehrkosten entweder schon informiert worden, oder sie stoßen demnächst wohl auf Post von ihrem Lieferanten. Eine Verfünf- bis Versechsfachung der monatlichen Vorschreibung ist keine Seltenheit.
Dass die heimischen Gasspeicher trotz erheblich reduzierter Liefermengen aus Russland so voll geworden sind, ist keine Selbstverständlichkeit. „Damit haben wir eigentlich nicht gerechnet,“ gibt Carola Millgramm, Leiterin der Abteilung Gas in der E-Control, im Gespräch mit dem STANDARD zu.

Man sei davon ausgegangen, die Speicher bis zu Beginn der Heizsaison mindestens zu 80 Prozent befüllen zu können, allerdings ohne Haidach. Der im salzburgisch-oberösterreichisch-bayerischen Grenzgebiet befindliche der russischen Gazprom gehörende Speicher ist derzeit nur an das deutsche Gasnetz angeschlossen. Er wurde im vorigen Winter so gut wie leergepumpt und nicht wieder befüllt. Weil Gazprom die im Sommer gesetzlich fixierte „Use it or lose it“-Regelung ignoriert hat, wurden dem russischen Gasmonopolisten die Nutzungsrechte an Haidach aberkannt. Seitdem die RAG AG (Renewables and Gas), ein in Mehrheitsbesitz der EVN befindliches und bisher schon mit der technischen Betriebsführung von Haidach betrautes Unternehmen, auch für die Vermarktung des Speichers zuständig ist, hat sich einiges zum Positiven verändert.

Seit August wird nun auch in Haidach kontinuierlich Gas eingespeichert – von Deutschland aus. „Auch wenn der Speicher noch nicht an das österreichische Gasnetz angeschlossen ist, hilft uns ein guter Füllstand dort, weil Tirol und Vorarlberg von Bayern aus versorgt werden“, sagt Millgramm.

Hohe Speicherstände

Auch in anderen Teilen Europas sind die Gasspeicher vergleichsweise gut gefüllt, EU-weit liegt der Füllstand bei knapp 90 Prozent. Spitzenreiter ist Polen mit einem Füllstand Ende der Vorwoche von 98,3 Prozent. Lettland bildet in dieser Aufzählung mit 52,6 Prozent das Schlusslicht.

Abhängig von den Temperaturen in den nächsten Wochen wird sich die Speichersituation in Österreich und anderswo absehbar noch verbessern. Erst im November wird wie schon in den Jahren zuvor den Speichern netto mehr Gas entnommen als zugeführt.

Wie bereits am Samstag und Sonntag ist auch gestern, Montag, am Knoten Baumgarten an der Grenze zur Slowakei mehr Gas angeliefert worden als in den Monaten zuvor, bestätigt die OMV. Zuletzt kamen im Schnitt 30 Prozent der mit Gazprom Export vertraglich vereinbarten Liefermenge in Baumgarten an. Warum plötzlich mehr Gas für Österreich abfällt, führen Experten auf die Unterbrechung der Transitlieferungen nach Italien zurück.

Am Samstag hat Gazprom diesen Schritt bekanntgegeben und mit regulatorischen Änderungen in Österreich begründet, die selbigen Tags, nämlich am 1. Oktober, in Kraft getreten sind (siehe Wissen).
Bis das in Sibirien eingespeiste Gas über das Pipelinesystem durch die Ukraine und die Slowakei in Österreich eintrifft, vergehen im Schnitt drei Tage. Weil aber die Mengen am Einspeisepunkt nicht passgenau reduziert werden könnten, gelange jetzt etwas mehr Gas nach Österreich als beabsichtigt. „Das kann morgen aber schon wieder anders sein“, sagte ein Insider.

Auch wenn sich der Gasfluss wieder auf dem Mittelwert der vergangenen Wochen einpendele, sei man mit dem derzeit eingespeicherten Gas gut aufgestellt. „Wir haben das, was wir in einem durchschnittlichen Winter in Österreich verbrauchen, eigentlich schon vorrätig“, sagt Millgramm, Gasexpertin der E-Control. Auf etwa 65 Terawattstunden (TWh) belief sich der Gasverbrauch in Österreich von Anfang Oktober 2021 bis Ende März 2022.

Nicht alles für Österreich

Auch wenn nicht alles Gas ausschließlich für Österreich bestimmt und für heimische Kunden greifbar sei – zu den derzeit eingespeicherten gut 76 TWh käme die eine oder andere TWh sicher noch dazu. Fix ist lediglich, dass die vom Bund finanzierten 20 TWh als strategische Reserve Österreich gehören. Weitere 20 TWh dürften Landesenergieversorger für ihre Kunden eingelagert haben, ebenso viel möglicherweise große Industriebetriebe, die für ihre Produktionsprozesse sehr viel Gas benötigen.

Es gab auch Jahre, wo zu Beginn der Heizsaison noch mehr Gas eingespeichert war, 2019 etwa. „Damals war Gas deutlich günstiger, und es gab Streit zwischen Gazprom und der ukrainischen Naftogas über die Verlängerung des Transitvertrags“, sagt Millgramm. „Alle rechneten mit Lieferproblemen Ende des Jahres und haben sicherheitshalber die Speicher gefüllt.“ Das wird wohl auch kommendes Frühjahr so sein. Die Akteure werden versuchen, die Speicher rasch zu füllen, bei voraussichtlich weiterhin hohen Preisen.

Der Standard