Die deutsche Regierung hat lange überlegt, wie sie die Gaspreise dämpfen soll. Nun schlägt die von ihr eingesetzte Kommission für 2022 eine Sonderzahlung und für nächstes Jahr eine Preisbremse vor.
An ausreichend Schlaf war nicht zu denken. 35 Stunden dauerte die Klausur, bis zum Montagmorgen saß die Gaspreis-Kommission in Berlin zusammen.
Danach ging es gleich ins Kanzleramt, wo Hausherr Olaf Scholz (SPD), Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) schon warteten.
Denn die Zeit läuft. Der Winter naht, und die Deutschen wissen immer noch nicht, wie ihre Regierung sie genau unterstützen will, damit sie die hohen Gaspreise bezahlen können. Auch jetzt gibt es noch keine Entscheidung der Regierung, aber immerhin einen Vorschlag der von ihr eingesetzten Kommission.
„Wir wollten in der Entlastungswirkung schnell sein. Spätestens zum Jahresende soll eine erste Entlastungswirkung geschaffen werden“ – so beschreibt Co-Kommissionschef Michael Vassiliadis, der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie Energie (IG BCE), die Intention des Gremiums.
Die Kommission schlägt ein zweistufiges Vorgehen vor: In einem ersten Schritt soll der Staat im Dezember einmalig die monatliche Abschlagzahlung auf Gas oder Fernwärme übernehmen. Ab März 2023 bis Ende April 2024 soll dann eine Gaspreisbremse greifen. Für Industriekunden allerdings setzt diese schon im Jänner ein.
Deckel bei zwölf Cent
Der Deckel soll die Preise für private Haushalte und kleine sowie mittlere Unternehmen auf zwölf Cent je Kilowattstunde Gas begrenzen (inklusive aller Steuern und Abgaben), allerdings nur bis zu 80 Prozent des geschätzten Jahresverbrauchs. Ein gedeckelter Preis solle auch für Fernwärme gelten, hier sind es 9,5 Cent.
So will die Kommission Anreize für das Energiesparen setzen. Denn, so Vassiliadis: „Die Versorgungslage bleibt trotz der gefüllten Speicher angespannt.“ Für die Industrie wird es 2023 ebenfalls einen Deckel auf den Beschaffungspreis geben, nämlich sieben Cent pro Kilowattstunde. Dort werden jedoch nur 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs berücksichtigt. Dies betrifft rund 25.000 Unternehmen in Deutschland.
Die Kommission rechnet mit Gesamtkosten von rund 90 Milliarden Euro, wobei die genaue Höhe von der Entwicklung des Gaspreises abhänge. Fünf Milliarden Euro werden bei der schnellen Entlastung im Dezember fällig, danach werden Haushalte und Kleinunternehmer 60 Milliarden Euro bekommen, an die Industrie gehen 25 Milliarden Euro.
Nun ist die deutsche Regierung am Zug, diese will binnen weniger Tage entscheiden. Kritik kommt von der Linkspartei. Fraktionschef Dietmar Bartsch spricht von einem „Prinzip sozial ungerechte Gießkanne par excellence“. Für viele Mieter sei die Übernahme einer Monatsrechnung zu wenig, für Villenbesitzer hingegen sei diese nicht nötig. Bartsch: „Setzt die Ampel diesen Ansatz durch, verbrennt sie Milliarden der Steuerzahler mit nur geringem Rettungseffekt.“
Marcel Fratzscher, der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), meint: „Die Expertenkommission versucht, das Beste aus einer schwierigen Situation zu machen und die Versäumnisse der Bundesregierung zu überbrücken.“
Die deutsche Bundesregierung hatte zunächst an das Gegenteil einer Gaspreisbremse gedacht und erwogen, Gaskunden mittels Umlage für notleidende Gasimporteure wie den Branchenriesen Uniper zu unterstützen. Doch dann geriet Uniper so schnell in existenzielle Not, dass die Ampelregierung eine Verstaatlichung beschloss. Die Gasumlage war damit obsolet geworden, die Regierung setzte eine Expertenkommission ein.
Der Standard