Härtetest für Gasversorgung kommt übernächsten Winter

19. Oktober 2022

Sollte Putin das Gas ganz abdrehen, wäre die Speicherbefüllung in der EU im Jahr 2023 extrem herausfordernd

Für diesen Winter kann vorsichtig Entwarnung gegeben werden. Die Speicher sind gut bis sehr gut gefüllt, wenn auch zu extrem hohen Kosten. Die für die Jahreszeit milden Temperaturen tragen dazu bei, dass noch immer mehr Gas in die Speicher geht, als diesen entnommen wird. Nächstes Jahr, so steht zu befürchten, kann die Situation eine gänzlich andere sein.

Dann nämlich, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin, der wegen des bisher wenig erfolgreichen Angriffskriegs auf die Ukraine auch im eigenen Land zunehmend unter Druck gerät, die Gaslieferungen ganz einstellt. Beobachter rechnen fest damit – noch in diesem Winter, spätestens zum Sommer hin. Dann müsste sämtliches Gas zur Wiederbefüllung der Speicher und zum täglichen Gebrauch aus nichtrussischen Quellen organisiert werden. Das wäre schwieriger als heuer, und schon heuer war es alles andere als einfach. Und – die Kosten würden weiter in die Höhe schießen.

Im Moment sind die Gaspreise im Sinkflug. Am Central European Gas Hub (CEGH) in Wien wurde die Megawattstunde (MWh) Gas am Dienstag um die 60 Euro gehandelt. Vor genau einem Monat waren noch 100 Euro mehr zu zahlen. Carola Millgramm, Leiterin der Abteilung Gas in der E-Control, spricht von einer „Phase“, die sicher nicht lange anhalten werde.

Gutgefüllte Speicher, eine gesunkene Nachfrage und der frühlingshaft anmutende Herbst, der den Beginn der Heizsaison hinauszögert, hätten das Viermonatstief beim Gaspreis bewirkt. Außerdem sei die strategische Gasreserve von 20 Terawattstunden (TWh; in Österreichs Gasspeichern haben insgesamt 95 TWh Platz) bereits beschafft – zu Kosten von 3,95 Milliarden Euro. Teilweise ist dieses Gas schon eingespeichert, zum Teil wird es das noch.
Je mehr Gas am Ende der Heizsaison vorrätig ist, umso besser. Auch aus Kostengründen wäre es wichtig, die strategischen Gasreserven nicht anzutasten. Andernfalls müssten diese wieder teuer aufgefüllt werden. Sparen sei deshalb das Gebot der Stunde, sagt Millgramm.

Nachdem Russland die Gaslieferungen nach Europa um etwa die Hälfte reduziert hat, konnten die Fehlmengen teilweise durch verflüssigtes Erdgas (LNG) ersetzt werden. Diese teure Option ist 2023 wohl noch mehr als heuer das Mittel der Wahl, weil Norwegen und Algerien als Pipelinegas-Lieferanten fast am Limit sind. Sollten Verbraucher in Asien mehr Gas benötigen als heuer, wäre das eine zusätzliche Herausforderung für Käufer in Europa. Asiatische Länder hängen noch weit mehr von LNG ab und wären wohl bereit, jeden Preis dafür zu zahlen.

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