Agenda Austria: Gaspreisdeckel wird nicht funktionieren

21. Oktober 2022, Wien/Kiew (Kyjiw)/Moskau
Agenda Austria zweifelt an Gaspreisdeckel - Lubmin, APA/AFP

Der von der EU geplante Gaspreisdeckel ist nach Ansicht des Ökonomen Jan Kluge von der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria keine gute Idee und wird nicht funktionieren. Auch das von Österreich präferierte „iberische Modell“, das eine Subventionierung von zur Stromerzeugung verwendetem Erdgas vorsieht, senke den Strompreis nur wenig und führe zu einem Anstieg des Gasverbrauchs, argumentierte Kluge am Freitag im Gespräch mit der APA.

Es gebe verschiedene Überlegungen für einen Gaspreisdeckel, erklärte Kluge. Wenn es nur um russisches Gas gehe, dann wäre das eine Sanktion, „da könnte man vielleicht sogar dafür sein, dass wir sagen: Wir sind nicht bereit, Putin einen höheren Preis zu bezahlen“, so Kluge. „Und dann würden wir die Konsequenz, dass er uns dann kein Gas mehr schickt, in Kauf nehmen.“

Ein genereller Preisdeckel würde aber auf den gesamten Weltmarkt wirken, „insbesondere auch gegenüber denjenigen, die wir im Moment geradezu anbetteln müssen um Gas – also gegenüber Norwegen, Algerien, USA usw.“. Besonders schlecht wäre dabei ein Alleingang Österreichs, so Kluge. „Dann wäre die Konsequenz, dass wir einfach kein Gas mehr hätten. Die LNG-Leute würden ihr Gas wieder nach Asien verschiffen, wie sie das bisher ja auch immer gemacht haben.“ Dann hätte man zu wenig Gas und es würde zu Rationierungen kommen. „Das wäre sicher die schlechteste Lösung, deshalb wird es eigentlich ja auch nicht wirklich diskutiert auf europäischer Ebene.“

Diskutiert werde aber eine Deckelung des Gashandelspreis-Index TTF, wenn auch nur im Notfall. „Wie auch immer man dann die Vertragspartner davon abhalten will, sich einen anderen Preis als Referenzpreis zu suchen – niemand ist ja verpflichtet, den TTF zu benutzen.“ Die Logik der EU sei, dass nur das russische Gas knapp sei, aber nicht das verflüssigte Gas (LNG). Deshalb überlege die EU, zwei verschiedene Gaspreise zu machen – einen für Pipeline-Gas und einen für LNG. „In der Logik der EU müsste der doch niedrig sein, weil LNG ist ja nicht knapp geworden. Ich glaube, diese Logik wird nicht funktionieren, weil LNG und Erdgas Substitute sind. Wenn das eine nach oben geht, weil es knapp ist, dann geht das andere genauso nach oben.“

„Die zweite Idee wäre das iberische Modell. Da hat man sich jetzt erstmal leicht dagegen entschieden, man will das noch weiter prüfen.“ Bei diesem von Österreich präferierten Modell würde man nur den Gaspreis für die Stromerzeugung deckeln, indem die Stromerzeuger subventioniert werden. Neben Deutschland seien da auch viele andere Länder skeptisch, so Kluge. Dieses Modell sei sehr teuer und koste auch in Spanien einige Milliarden, drücke aber den Strompreis nicht sehr stark nach unten. Strom koste dort noch immer ein Mehrfaches des langjährigen Durchschnitts. „Das Schlimmste an der ganzen Geschichte: Ich subventioniere den Verbrauch von Gas für die Verstromung, und deshalb gehört Spanien zu den ganz wenigen Ländern in Europa, die dieses Jahr sogar mehr Gas verbraucht haben als in den letzten Jahren. Wenn wir das ausrollen wollen auf die Europäische Union, dann würde das bedeuten, dass wir unsere Einsparziele wahrscheinlich vergessen können.“

Letztlich müssten diese Subventionen mit Steuergeld finanziert werden und die soziale Treffsicherheit wäre gering, argumentiert Kluge. „Und dann muss man noch diskutieren: Wie sorgen wir dafür, dass der billige Strom nicht abfließt? Das Problem hat ja auch Spanien, die jetzt natürlich massiv Strom nach Frankreich exportieren.“ Wenn überhaupt, dann müsste man so ein Modell europaweit machen, so der Ökonom.

Eine richtig gute Lösung für das Problem gebe es eigentlich nicht, aber der beste Weg wäre, die sozial Bedürftigen gezielt zu unterstützen, meint Kluge. Man brauche also eine Art Gaspreis-Bremse, wie es sie beim Strompreis schon gebe, aber treffsicherer. „Die Gaspreisbremse, wie man sie jetzt Deutschland macht, die ist, glaube ich, nicht so schlecht.“ Diese orientiere sich am individuellen Verbrauch des Vorjahres und der erhaltene Betrag müsse mit dem individuellen Steuersatz versteuert werden. „Der Betrag ist auch gedeckelt, damit ich die ganzen Poolbesitzer usw. nicht mit fördere. Diese Gaspreisbremse, die man in Deutschland jetzt vorgeschlagen hat, ist einigermaßen treffsicher und deutlich besser als unsere Strompreisbremse.“

Es gebe Berechnungen, wonach eine vollständige Kompensierung der höheren Energiekosten für das einkommensschwächste Fünftel der Haushalte in Europa weniger als ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten würde. Derzeit gebe man viel mehr aus, weil man alle entlaste. Unterstützen müsste man jedenfalls das untere Drittel der Haushalte, aber auch da nicht alle gleich. „In der Kommunikation fehlt einfach auch noch, dass diejenigen, die dem Mittelstand angehören, und die ja noch Rücklagen haben, dass die in der Krise auch Rücklagen angreifen müssen.“

APA

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