Strom: Winter als „Herausforderung“

9. November 2022, Wien

Energie. Ein Stresstest kommt zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich keine Engpässe bei der Stromversorgung geben wird. Wird es außergewöhnlich kalt, könnte sich das jedoch ändern.

Zu 93,9 Prozent sind die heimischen Gasspeicher bereits gefüllt, und angesichts der milden Temperaturen steigt dieser Wert nach wie vor täglich. Doch irgendwann wird das Wetter umschlagen und der Winter in Österreich ankommen. Und dann steht das heimische Energiesystem vor den härtesten Monaten des Jahres. Das betrifft nicht nur die Versorgung mit Gas, sondern auch jene mit Strom. Schließlich sorgen niedrige Temperaturen und lange, dunkle Nächte nicht nur für einen wesentlich höheren Energieverbrauch, auch die heimische Produktion etwa über Fotovoltaik fällt dann wesentlich geringer aus.

Aber drohen heuer aufgrund der verringerten Lieferungen von Erdgas aus Russland sogar Versorgungsengpässe bei der Elektrizität? Diese Frage ließ das für Energie zuständige Klimaschutzministerium vom Übertragungsnetzbetreiber APG nun mittels eines Stresstests überprüfen. „Eine sichere Versorgung mit Strom und Gas war immer selbstverständlich. Diese Selbstverständlichkeit hat sich mit dem russischen Angriffskrieg geändert“, so die zuständige Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Montag bei der Präsentation der Ergebnisse.

Der Test

Wie wichtig das Thema Gas auch für die Stromversorgung ist, macht APG-Vorstand Gerhard Christiner bei der Erläuterung der Annahmen für den Stresstest klar. So werde in Österreich im Winterhalbjahr die Elektrizität zu 22 Prozent durch Gaskraftwerke gestellt, weitere 16 Prozent kommen als Importstrom aus dem Ausland. Die inländische erneuerbare Produktion fällt hingegen auf 62 Prozent. Und bei Importen ist Österreich wiederum ebenfalls von Gas- und Atomkraftwerken abhängig. „18 Prozent des Strombedarfs werden im Winter aus Gas erzeugt, 27 Prozent kommen aus den AKW“, so Christiner.

Für den Stresstest hat die APG nun drei Szenarien erstellt. Im als wahrscheinlich eintretenden Referenzszenario sind diese wie folgt: Die bestehenden heimischen Kraftwerke stehen vollständig zur Verfügung, und auch die Importe kommen wie geplant ins Land. Zudem gibt es keine Beschränkungen für die Verstromung von Gas, und der Stromverbrauch bleibt stabil. Allerdings fehlt Europa weiterhin ein Drittel der französischen Atomkraftproduktion, und auch Polen kann aufgrund fehlender Kohle (zu wenig Wasser in den Flüssen) keinen Kohlestrom exportieren. Für die Temperaturen wird der Durchschnitt der letzten 35 Jahre angenommen.

Beim „kritischen Szenario“ steigt der Verbrauch aufgrund des Wechsels von Gas auf Strom bei vielen Verbrauchern um fünf Prozent, während die Verstromung von Gas auf 80 Prozent beschränkt wird. Und beim „sehr kritischen Szenario“ erhöht sich der Stromverbrauch sogar um zehn Prozent, während sich die Verstromung auf 60 Prozent reduziert.

Das Ergebnis

Im Referenzszenario gibt die APG leise Entwarnung. Hier gebe es über den ganzen Winter hindurch keine „Lastunterdeckung“ — es steht also nie weniger Strom zur Verfügung, als produziert werden kann. Anders sieht dies jedoch bei den beiden kritischeren Szenarien aus. Hier kommt es zu durchaus spürbaren Unterdeckungen. Im „kritischen Szenario“ im Ausmaß von 479 Stunden beziehungsweise 1,2 Terawattstunden. Im „sehr kritischen“ Fall gibt es sogar 815 Stunden lang weniger Strom als benötigt — in Summe 2,2 TWh.

„Wir sind zuversichtlich, die Lage bleibt aber angespannt“, so Gewessler. Der Winter sei jedenfalls eine Herausforderung. Wobei auch eine Lastunterdeckung nicht einen Stromausfall bedeute, sondern, dass gezielt Verbraucher abgeschaltet werden müssen. Und laut Christiner handle es sich hier um durchaus beherrschbare Mengen. „1,2 TWh sind drei Prozent, und 2,2 TWh sind fünf Prozent des gesamten Verbrauchs.“ Dies könne eingespart werden.

Die Erkenntnisse

Daher plädieren sowohl der APG-Vorstand als auch die Ministerin weiterhin dafür, sparsam mit Strom umzugehen. „Jede nicht verbrauchte Kilowattstunde hilft uns“, so Gewessler. Wenn nicht in diesem Winter, dann zumindest im nächsten, weil es leichter werde, die Gasspeicher über den Sommer wieder aufzufüllen, wenn im Winter weniger verbraucht werde.

Außerdem birgt auch das Wetter eine zusätzliche Variable. So kann Gas aus den Speichern nur bis zu einer bestimmten Menge pro Stunde entnommen werden. Ist es sehr kalt, könnte es auch durch diesen „Flaschenhals“ zu Einschränkungen kommen.
von Jakob Zirm

Die Presse

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