Trotz Klimakrise erlebt Kohle eine Renaissance

9. November 2022

Keine Energiewende. Kohlestrom wird nicht, wie von der Klimawissenschaft gefordert, weniger, vielmehr dürften die Staaten heuer um etwa 1,5 Prozent mehr schmutzigen Kohlestrom produzieren als 2021

Bei der Klimakonferenz 2021 gab es am Ende einen heftigen Streit, ob im Schlussdokument ein „Auslaufen“ oder nur ein „Verringern“ der Kohlekraft festgelegt werden sollte. Ein Jahr später ist klar: Kohlekraft wird weltweit nicht zurückgefahren, sondern leider ausgebaut – bisher um etwa 1,5 Prozent.

Obwohl die Auswirkungen der Klimakrise in Form von Überschwemmungen, Starkregen-Ereignissen oder Dürren unübersehbar sind, erlebt jener Energieträger, der mit Abstand am meisten zur Klimakrise beiträgt, eine Renaissance. 2022 dürfte (nach 2021) ein neues Rekordjahr für diese Form der Stromerzeugung werden.

Mehr Kohle in Europa

Kohlekraft ist weltweit noch immer die häufigste Form der Stromerzeugung, und sie nimmt – vielleicht etwas überraschend – auch in Europa zu. Denn die Europäer leiden im Energiebereich gleich unter mehreren überraschenden Szenarien: Da ist einmal Russland, das als Erdgaslieferant für viele Staaten wegen seines Angriffskrieges auf die Ukraine nicht mehr infrage kommt. Weiters haben viele Flüsse einen besonders niedrigen Pegel, weil es in den Sommermonaten so wenig geregnet hat, was die Leistung der Laufkraftwerke an den Flüssen ordentlich gesenkt hat. Und die niedrigen Pegelstände haben in Frankreich außerdem dazu geführt, dass einige Atomkraftwerke abgedreht werden mussten, weil nicht mehr ausreichend Kühlwasser aus den Flüssen gepumpt werden konnte. Damit nicht genug, sind die französischen AKW wegen schlechter Wartung teilweise nicht betriebsfähig, aktuell ist nur jedes zweite französische AKW am Netz.

Kohle-Großmacht China

In China wiederum horten die Genossen so viel Kohle wie noch nie, um sich von den Preisrallys an den Energiebörsen unabhängiger zu machen. Denn für China ist der Kohlestrom enorm wichtig, nicht nur weil es heuer eine extreme Dürre und entsprechend wenig Wasserkraft gab. In China, in der Provinz Innere Mongolei, steht zum Beispiel das Tuoketuo-Kraftwerk. Mit zwölf Blöcken ist es das größte Kohlekraftwerk der Welt und somit auch der weltweit größte Einzel-Emittent des Treibhausgases CO₂: 29,5 Millionen Tonnen sollen dort 2019 aus den Schloten gekommen sein. Zum Vergleich: Österreichs Gesamtemissionen lagen im gleichen Jahr bei rund 79,8 Millionen Tonnen.
Allein China hat rund 1.100 Kohlekraftwerke, Indien hat 285, die USA rund 240, Japan und Indonesien rund 90, Deutschland 63 und Polen 44 Kohlekraftwerke.

In den USA dürfte das Kohleschürfen in diesem Jahr um 3,5 Prozent zunehmen, die Minenbesitzer wollen freilich die hohen Kohlepreise ausnutzen: Beim wichtigsten Kohle-Index „Newcastle coal futures“ wird eine Tonne Kohle derzeit für 360 Euro gehandelt, sechs Mal mehr als noch vor zwei Jahren, als der Preis bei maximal 75 Euro lag. Und die Preise bleiben hoch – Futures werden bis ins Jahr 2027 um mehr als 260 Euro pro Tonne gehandelt.
Für die Klimakonferenz in Sharm el-Sheikh sind das keine guten Vorzeichen. Denn selbst die Internationale Energieagentur IEA hatte kürzlich betont, dass Kohleverstromung in den Industrie-Staaten spätestens bis 2030, in allen anderen Staaten spätestens bis 2040 eingestellt werden muss, wenn die Welt bis 2050 wirklich Null-Emissionen erreichen will.

Kohle-Stopp bis 2040

Antonio Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, rief am Montag einmal mehr dazu auf, einen Fairness-Pakt in das Schlussdokument der 27. Klimakonferenz aufzunehmen, in dem vereinbart wird, dass die Kohleverstromung, wie von der IEA bis 2040 empfohlen, weltweit beendet wird.

Absurd scheinen da die Probleme der Österreicher: Da hat die grüne Energieministerin Leonore Gewessler zwar in diesem Jahr erlaubt, wieder Kohlestrom in Mellach zu produzieren, damit Engpässe vermieden werden. Doch die Umsetzung scheitert bisher und ist erst nach diesem Winter wahrscheinlich.

Kurier