Österreich ist im Winter vom Stromimport abhängig. Europas Kraftwerksbetreiber kämpfen mit Folgen der Klimakrise.
Um zwei Prozent ging der Stromverbrauch im Vergleich zum Vorjahr zurück – Stand September 2022. Geht es nach Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne), geht da noch mehr. Denn der Winter wird für die Stromversorgung herausfordernd, trotz einer sicheren Versorgungssituation. Das ergab ein Stresstest, den der Übertragungsnetzbetreiber APG (Austrian Power Grid) im Auftrag der Regierung durchführte. Dabei wurden drei Szenarien durchgerechnet.
In allen drei Szenarien ist die Wahrscheinlichkeit eines Black-outs gering, schickten Gewessler und Gerhard Christiner, Vorstand der APG, bei der Präsentation am Montag vorweg.
Drei Szenarien
Die österreichische Stromversorgung ist dabei im europäischen Kontext zu sehen. Denn Österreich ist laut Christiner ein Importland. Daher spielen in den Berechnungen die reduzierten Leistungen der Atomkraftwerke in Frankreich und Finnland ebenso eine Rolle wie die Leistung der deutschen und polnischen Kohlekraftwerke, von denen Letztere stark von russischen Kohleexporten abhängig sind, beziehungsweise waren – und aufgrund dessen auf europäischer Ebene erwirkt haben, keine Stromexporte zulassen zu müssen.
In Szenario 1, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, dass es auch eintritt, ist Österreich aufgrund der bereits getroffenen Maßnahmen – darunter gefüllte Gasspeicher und die gesetzliche Netzreserve – gut vorbereitet. „Es ist zu keiner Stunde eine Lastunterdeckung (Stromnachfrage höher als Stromangebot) zu identifizieren“, so das Ergebnis zu diesem Szenario.
In Szenario 2 kommt es zu einem Rückgang der Kohlekraftwerksleistung in Deutschland – etwa durch fehlende Kohletransporte wegen niedriger Wasserstände auf den Schiffstransportrouten, eine erhöhte Last und weniger verfügbares Gas zur Stromerzeugung. Das ergibt laut Berechnung eine Lastunterdeckung von bis zu 479 Stunden.
Eine Lastunterdeckung von bis zu 815 Stunden ergab Szenario 3, das wären dann 2,2 Terawattstunden nichtgelieferter Energie. Mittels Sparen und Verschieben der Last könne in den Szenarien 2 und 3 eine Strommangellage verhindert werden, so die APG-Untersuchung. Erst wenn zusätzliche kritische Ereignisse eintreten, etwa ein extrem kalter Winter, könnte die Energielenkung, sprich ein Eingreifen des Staates, notwendig werden.
Gas spielt große Rolle
Gas spielt in der Stromversorgung vor allem im Winter eine wichtige Rolle. 18 Prozent des Strombedarfs decke Europa im Winterhalbjahr aus Gaskraftwerken, sagt Christiner vom Netzbetreiber APG, in Österreich sind es 22 Prozent. „Das bedeutet: Circa ein Drittel der verfügbaren Speicherkapazitäten im Gasbereich müssen für die Stromerzeugung herangezogen werden.“
Österreich muss 16 Prozent seines Stroms im Winter importieren. In diesem Energiemix ist auch Atomstrom enthalten, allerdings gibt es zu dem Anteil keine Angaben. In Europa jedenfalls wird der Strombedarf zu 27 Prozent aus Atomkraftwerken gedeckt. Auf diese Technologie will sich Gewessler auch in Zukunft nicht verlassen, wie sie am Montag betonte. Im Zuge der Klimakatastrophe werde sich die Situation in Hinblick auf den Mangel an Kühlwasser für die AKW, wie in jüngster Vergangenheit in Frankreich geschehen, „noch verschlimmern“, so die Politikerin.
Risikofaktor Atomstrom
Außerdem ist die Verfügbarkeit von Atomstrom nicht sicher. Frankreich als größter Produzent von Atomstrom in Europa habe derzeit von 61 Gigawatt (GW) an Produktionsleistung derzeit 30 GW verfügbar, sagt Christiner. Man rechnet damit, dass Frankreich im Winter 40 GW zur Verfügung haben werde.
Das Gebot der Stunde sei also noch immer, Strom zu sparen. Das helfe nicht nur, Gas zu sparen, sondern erleichtere auch das Füllen der Speicher für den nächsten Winter, so Gewessler.
Die Stromversorgung im Winter stand im Mittelpunkt eines Stresstests des Stromnetzbetreibers
von Marijana Miljković
Wiener Zeitung