Ein Experte des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien sieht durchaus „enorme Fortschritte“ im globalen Klimaschutz. Die Kluft zwischen den Versprechen der Staaten in Richtung Klimaneutralität bis 2050 und den kurzfristig vorgelegten nationalen Beiträgen zum Klimaschutz – im UN-Jargon NDCs genannt – sei viel zu groß, sagte der Wissenschafter Bas van Ruijven der APA am Mittwoch bei der UN-Klimakonferenz COP27 in Ägypten.
Van Ruijven forscht zu Energie- und Technologieszenarien und den – auch sozioökonomischen – Auswirkungen des Klimawandels. „Lange Zeit war vielen die Dringlichkeit einfach nicht bewusst“, so van Ruijven. „Viele, vor allem große Länder wie China, müssen in kurzer Zeit viel ambitionierten werden. Ansonsten werden innerhalb kürzester Zeit viel zu viele Treibhausgase ausgestoßen. Das können wir uns nicht mehr leisten“, warnte der Forscher.
Die EU sieht van Ruijven „mehr oder weniger am richtigen Weg“. Als globales Vorbild könne Costa Rica dienen. Das Land in Zentralamerika habe eines der ehrgeizigsten Programme der Welt.
Doch die Zeit dränge. „Der Druck muss noch höher werden“, sagte der Wissenschafter. Genau dies sei bei der diesjährigen COP ein großes Problem, auch weil Demonstrationen der Zivilgesellschaft aufgrund strenger Auflagen des ägyptischen Gastgeberlandes nur sehr reglementiert stattfinden können.
Prinzipiell habe sich der Niederländer immer als Optimist bezeichnet, wenn er in die Zukunft geblickt habe: „Aber ich verfalle zunehmend in eine Klima-Depression, das muss ich zugeben.“ Am Institut werde mit den verschiedensten Szenarien gearbeitet, aber in nahezu allen sei die Lücke zwischen notwendigem Handeln und tatsächlicher Umsetzung zu groß.
„Wir wissen, wie viel Zusammenarbeit zwischen den Staaten notwendig wäre, um die Klimakrise zu bekämpfen und die Menschheit hat schon großartige Dinge geschafft. Aber der Wille zur Kooperation und zum Teilen von Technologien scheint immer geringer zu werden“, so der Forscher.
Viele Menschen könnten sich nicht vorstellen, welche Veränderungen eine wärmere Welt mit sich bringt. „Europa wird zu einer Festung werden, weil viele Teile der Welt unbewohnbar und Menschen auf der Flucht sein werden“, so van Ruijven. Das Wirtschaftswachstum werde einbrechen, andererseits würde die globale Armut zu einem großen Bevölkerungswachstum führen. Der Zusammenhalt und die Kooperation vieler Länder würden leiden.
Auch die Versorgung mit Wasser würde zunehmen schwierig werden. Davon würde auch Österreich betroffen sein, weil Gletscher verschwinden würden. Dass Skifahren dann nicht mehr möglich sein werde, sei noch das geringste Problem.
„Mitte des Jahrhunderts werden wir bereits einen deutlichen Unterschied zur heutigen Zeit spüren.“ Denn auch, wenn die klimaschädlichen Emissionen ab nun sinken, erwärmt sich die Welt noch weiterhin. „Auch nach einer großen Reduktion des Ausstoßes der Treibhausgase braucht das Klima noch zehn bis 20 Jahre, bis es darauf reagiert“, so van Ruijven. Diese Tatsache werde für viele Regierungen sehr schwer zu vermitteln sein: „Es ist schwierig, das der Bevölkerung gut zu erklären.“
APA