OMV will nicht Gasversorger für alle sein

16. November 2022

OMV-Chef Alfred Stern kämpft als Folge des Ukraine-Kriegs mit Gegenwind. Einen Versorgungsauftrag sieht er kritisch, zur Gewinnabschöpfung hat er einen Wunsch.

Der gebürtige Steirer mit internationaler Karriere Alfred Stern will auf die Energiekrise reagieren und trotzdem am graduellen Ausstieg der OMV aus Öl und Gas festhalten.

Der Chef von BP, Bernard Looney, war bei der Klimakonferenz in Sharm el Sheikh. Haben Sie auch überlegt? Alfred Stern: Wir haben das diskutiert, aber anders entschieden.

Wollten Sie selbst hinfahren? Ich bin ein großer Freund von Go-and-see. Man sieht, was diskutiert und gemacht wird, und kann viel mitnehmen und im Geschäft übersetzen. Ich war in den vergangenen Wochen aber anderweitig unterwegs, und die Ergebnisse der COP werden auch gut dokumentiert. Sie waren etwa in Abu Dhabi und haben eine Terawattstunde Flüssiggas mitgenommen. Wir haben eine breitere Energiekooperation unterschrieben, deren Kernstück die Lieferung von mindestens einem Schiff für den Winter 2023/24 war. Wir haben in den vergangenen neun Monaten intensiv daran gearbeitet, unsere Lieferverpflichtungen abzusichern. Der OMV-Anteil an Österreichs Speichern von 25 Terawattstunden oder 25 Prozent des Jahresbedarfs ist mehr als voll. Wir haben für unsere Kunden auch nicht-russisches Gas und die Pipelinekapazität sichergestellt. Das ist alles für diesen Winter, aber wir schauen schon auf den nächsten Winter, damit wir wieder gut über die Runden kommen. Wird das klappen? Wir werden uns gut vorbereiten, damit wir wieder erreichen, was wir benötigen. Bis jetzt ist es uns gut gelungen, die Versorgung unserer Kunden sicherzustellen. Um generell Versorgungssicherheit zu haben, ist es natürlich wichtig, was die anderen machen. Ich gehe davon aus, dass auch da entsprechend umsichtig gehandelt wurde. Die Politik will die OMV mit der gesamten Gasversorgung Österreichs beauftragen und lässt das gerade prüfen. Was halten Sie davon? Wir sind uns voll bewusst, dass wir ein wichtiger Spieler im österreichischen Markt sind. Wir haben 45 Prozent Marktanteil bei Gas, wir betreiben die einzige Raffinerie und produzieren die Hälfte des Treibstoffs. Wir haben heuer erhebliche Finanzmittel in die Hand genommen – an die zwei Milliarden –, um Gas einzuspeichern und zu diversifizieren. Das tun wir, weil wir als zuverlässiges Unternehmen im Markt bekannt sind und das auch bleiben wollen. Das auf mehr als diese 45 Prozent auszudehnen ist natürlich ein erhebliches Risiko, das wir als OMV so nicht abdecken können.

Die Politik müsste das in irgendeiner Form absichern? Die OMV hat die Gaskrise trotz erheblichen Aufwands ohne staatliche Unterstützung geschafft. Das ist international nicht überall so. Etwas, das für die Republik hohe Rentabilität haben könnte, bedeutet für ein Unternehmen wie die OMV eine erhebliche Anstrengung. Diese Betrachtungsweise muss man mit einbeziehen. Natürlich ist der Staat mit 31,5 Prozent der größte Aktionär, aber gleichzeitig haben wir 68,5 Prozent andere Aktionäre. Wir als Vorstand sind allen Aktionärinnen und Aktionären gleich verpflichtet.
Sollte der Versorgungsauftrag tatsächlich kommen, was heißt das für Ihre Strategie? Ich mag nicht spekulieren, was sein könnte. Die OMV hat sich seit der Privatisierung fantastisch entwickelt. Wir zahlen jedes Jahr eine erhebliche Dividende – auch an den Staat – und leisten einen großen Beitrag zum Bruttosozialprodukt Österreichs. Die Verantwortung der OMV geht über Versorgungssicherheit hinaus. Wir sind ein erfolgreiches Unternehmen und wollen es auch 2030 und 2040 noch sein.

Also nichts ändern? Wir sind in einer Sondersituation und ich verstehe den Unmut und den Frust angesichts der gegenwärtigen Lage. Aber man sollte nicht langfristige Entwicklungen vernachlässigen. Wir planen für heuer eine Sonderdividende und zahlen in Österreich Steuern und auch Förderzins, der von Öl- und Gaspreisen abhängt und heuer signifikant ist.

Vielen ist das zu wenig. Wie sehen Sie die „EU-Solidaritätsabgabe“ von einem Drittel der Übergewinne? Nicht ganz überraschend sage ich: Die Situation, in der wir heute sind, ist Resultat einer Versorgungskrise. Wir haben zu viel Nachfrage für zu wenig Versorgung. Das lässt sich nur regeln, indem wir die Produktion erhöhen, was nur durch Investitionen funktionieren wird.

Das Hilfreichste dafür wäre, ein investitionsfreundliches Klima zu schaffen. In den vergangenen 20 Jahren ist in Europa keine signifikante neue Raffineriekapazität auf den Markt gekommen, im Gegenteil, einfach weil man nicht viel verdienen konnte. Müssten dann nicht jetzt viele Raffinerien gebaut werden? Das ist mein Punkt mit dem investitionsfreundlichen Klima. Europa muss Diesel importieren.

Bisher hieß es oft, am Geld scheitern Investitionen nicht. Wir leben in einer zyklischen Industrie. Ich darf nur erinnern, dass 2020 der Ölpreis unter 25 Euro lag – in USA teilweise negativ – und der Gaspreis unter fünf Euro pro Megawattstunde. Die OMV hat es geschafft, ohne Kurzarbeit, ohne Umstrukturierung und ohne staatliche Hilfe durchzukommen und trotzdem alle Kunden und Tankstellen zu beliefern. In einer zyklischen Industrie muss man einfach sein Geld und seine Renditen über die Zyklen verdienen. Die zwei Coronajahre waren wirklich schlimme Durchhänger. Zugleich müssen wir die Transformation des Unternehmens in eine nachhaltigere Zukunft finanzieren, so wie wir es in unserer Strategie festgeschrieben haben. Bis 2030 planen wir im Durchschnitt 40 Prozent grüne Investitionen.

Trotzdem: Sie haben in neun Monaten 10,37 Mrd. Euro operativen Gewinn gemacht, drei Mal so viel wie 2020. Bleibt da nicht trotz Sonderdividende und Abschöpfung genug übrig? Unsere Ergebnisse sind auch Resultat der Zukunftsinvestitionen, die wir beispielsweise mit Borealis bereits getätigt haben. Wir verdienen jetzt in drei Segmenten Geld. Aber es ist eine zyklische Industrie, es wird eine Gegenbewegung geben. Sollte die Sonderdividende von der Solidaritätsabgabe abgezogen werden? Das müssen Sie die Regierung fragen. Vernünftig wäre es auf jeden Fall, weil sich die anderen Aktionäre gleichbehandelt fühlen würden. Wenn ich mir was wünschen könnte, würde ich es mir wünschen.

Die OMV hat Verträge mit Gazprom bis 2040. Kommen und wollen Sie da raus? Wir können Einzelheiten und Verträge nicht offenlegen, auch nicht unsere Vorgehensweise. Wir schauen uns das im Detail an und gehen damit äußerst sorgfältig um. Es geht um eine Balance zwischen: Wie können wir die Versorgung unserer Kunden sicherstellen und das fürs Unternehmen optimal managen?Gazprom liefert weniger Gas als vertraglich vereinbart. Überlegen Sie einen Ausstieg? Ich lese alle drei Jahre Sun Tzu, „Die Kunst des Krieges“. Dort heißt es im zweiten Kapitel: Unterschätze deine Gegner nie und sag ihnen nicht, was du als Nächstes machen wirst. Daran halte ich mich. Das Interview in voller Länge finden Sie auf www.SN.at.

von Monika Graf

Salzburger Nachrichten

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