Gewessler fürchtet mögliche Rückschritte beim Klimaschutz

17. November 2022, Sharm el-Sheikh
Gewesslers Zuversicht hält sich in Grenzen - Wien, APA/HELMUT FOHRINGER

Die Welt läuft laut Aussagen von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) Gefahr, bei der diesjährigen Klimakonferenz COP27 Rückschritte im Klimaschutz zu machen. „Wir könnten bei dieser COP in eine Welt vor der Pariser Vereinbarung zurückfallen“, sagte Gewessler Donnerstagmittag in Ägypten am Rande der Verhandlungen. 2015 einigte sich die Staatengemeinschaft in Paris, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf idealerweise 1,5 Grad zu begrenzen.

Den aktuellen 20-seitigen Entwurf eines Abschlusstextes der COP sah Gewessler kritisch: „Diese 20 Seiten, die am Tisch liegen, machen in vielen Bereichen mehr Kontroversen auf, als dass sie Gräben zuschütten.“ Zur selben Zeit vor einem Jahr bei der 26. Ausgabe der Weltklimakonferenz in Glasgow sei dies schon völlig anders gewesen.

Gerade im Bereich des Klimaschutzes gebe es in dem kursierenden und von Experten stark kritisierten Entwurf eine „sehr schwache“ Sprache. Es fehle die Reflexion der Verhandlungsergebnisse, so Gewessler. Der Text müsse wieder aussortiert werden, um Fortschritte im Vergleich zum Abschlussdokument aus Glasgow zu erzielen.

Die aktuellen Entwürfe würden den – von der Wissenschaft dringend eingeforderten – Pfad einer maximalen Erderhitzung von 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit nicht unterstützen, sagte Gewessler. „Die Worte sagen das, aber die Handlungen sind definitiv nicht ausreichend.“ Die Wissenschaft warnt vor gravierenden Folgen für Menschen, Natur und Tiere, wenn sich die Welt noch stärker erhitzt. „So wie der Text jetzt da steht, ist es sicher kein akzeptables Ergebnis.“

Die zweiwöchigen Verhandlungen im ägyptischen Badeort Sharm el-Sheikh seien bereits im Vorfeld stark durch die Diskussion um einen Geldtopf für die durch die Klimakrise entstandene Schäden („Loss and Damage“) aufgeladen gewesen. „Die ägyptische Präsidentschaft hat momentan keine spürbare Führungsrolle, wie man hier zu einem Konsens kommen kann“, so Gewessler im Pressebriefing. Länder des Globalen Süden, die kaum für die klimaschädlichen Treibhausgase verantwortlich sind, leiden am meisten unter den bereits jetzt spürbaren Auswirkungen der Klimakrise. Diese Länder fordern nun verstärkt finanzielle Entschädigung der reicheren Industriestaaten des Globalen Norden. Österreich stellt in den nächsten vier Jahren 50 Millionen Euro dafür zur Verfügung.

Die Verhandlungen würden sich durch die Diskussionen in die Länge ziehen: „Es ist kein Geheimnis, dass die Verhandlungen wohl nicht am Freitag zu Ende gehen“, so Gewessler. Nach Ende von Beratungen Donnerstagmittag sprach sie davon, dass „noch viel Arbeit“ vor allen Beteiligten liege. Im Vergleich zum letzten Jahr habe ich das Gefühl, es seien noch mehr Bälle in der Luft als damals.

Gewessler selbst tritt in Ägypten als EU-Verhandlerin im Bereich der Anpassungen („Adaptation“) auf. Die Frage, wie man Fortschritte in dieser Kategorie definiere, sei sehr schwierig. „Das ist einer der Hauptdiskussionspunkte“, sagte Gewessler. Während die Reduktion von Treibhausgasen („Mitigation“) leicht anhand von Zahlen des Ausstoßes festzumachen sei, gebe es keine einfache Antwort auf richtige Anpassungsmaßnahmen.

Klar sei aber, dass es alle Staaten betreffe: „Es sind alle Länder davon betroffen, reichere Staaten und Industriestaaten genauso wie vulnerable Länder auf der Südhalbkugel“, sagte Gewessler. Dieser Umstand sei auch in Österreich bereits spürbar, wenn man sehe, in welche Gebiete Borkenkäfer bereits vordringen oder wie schnell Gletscher schmelzen würden.

Gewessler hat laut eigenen Aussagen den Eindruck, dass sich in den vergangenen Jahren in den Verhandlungen der Eindruck verfestigt habe, dass Anpassungen an den Klimawandel „nur den Globalen Süden betrifft und sich der Globale Norden rauskaufen kann“. Dies sei aber nicht richtig.

APA

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