Stromausfälle und Wassernot nach russischen Angriffen. Jetzt ist zudem der Winter hereingebrochen.
Kiew ist am Donnerstag in dichten Nebel gehüllt, in der Früh waren Autoscheinwerfer und Stirnlampen von Passanten die einzigen Lichtquellen. Internationale Journalisten berichteten, sie hätten die Drei-Millionen-Stadt noch nie so dunkel gesehen. Nach verheerenden Angriffen Russlands sind Strom und Wasser vielerorts Mangelware. Und jetzt ist der Winter hereingebrochen, es gibt Schnee in der Ukraine und Temperaturen unter Null Grad.
Viele Menschen halten sich vorwiegend an ihren Arbeitsstätten auf, weil dort im Gegensatz zur Privatwohnung geheizt ist. Überall kommen Notfallgeneratoren zum Einsatz, in Kiew funktionierte das Handynetz fallweise nicht, auch ein Zugang zum Internet war oft nicht möglich. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor einer humanitären Katastrophe, weil Krankenhäuser ohne Stromversorgung sind. Operationen müssen im Schein von Taschenlampen durchgeführt werden. Tausende Menschen waren ohne Trinkwasser.
Solidarität und Spenden
Die ukrainische Regierung tut, was sie kann, um das Schicksal der Betroffenen zu lindern. So sollen 4.000 Wärmestuben für die Bevölkerung eingerichtet werden. Diese werden sich in Verwaltungsgebäuden oder Schulen befinden, hier können sich die Menschen aufwärmen, Tee trinken, Telefone aufladen und Rat einholen, heißt es. „Ich bin sicher, dass wir diesen Winter gemeinsam überstehen werden, wenn wir uns gegenseitig helfen“, sagt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Auch Unternehmen seien gebeten, Räume als Wärmestuben zur Verfügung zu stellen.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko ruft zu Solidarität und Spenden auf. So werden mobile Stromgeneratoren dringendst benötigt. Viele Einwohner in der Hauptstadt haben mittlerweile damit begonnen, Kisten mit Lebensmitteln, Taschenlampen und Powerbanks in den Aufzügen der Hochhäuser zu deponieren – für den Fall, dass sie bei einem Stromausfall im Aufzug gefangen sind. Die meisten haben auf ihrem Mobiltelefon eine App, die den Beginn und das Ende von Luftalarm anzeigt. Zudem gibt es jetzt auch handbetriebene Sirenen, die die Menschen warnen sollen.
Am gestrigen Donnerstag konnte die Strom- und Wasserversorgung in Kiew nur teilweise wieder hergestellt werden. „70 Prozent der Hauptstadt sind bisher ohne Elektrizität“, so Bürgermeister Vitali Klitschko. Immerhin sei es gelungen, die Stadtteile am linken Flussufer des Dnipro wieder mit Wasser zu versorgen. Die kommunalen Dienste arbeiteten mit Hochdruck an der Behebung der Schäden, doch die Stromversorgung Kiews hänge auch von der Stabilität des gesamten Energiesystems in der Ukraine ab.
Die russischen Angriffe auf die kritische Infrastruktur seien „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, so der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor der UNO. Er sprach von „Energieterror“.
Die USA haben bereits versprochen, die Ukraine mit Stromgeneratoren zu unterstützen. Den nötigen Diesel dafür gibt es – noch – im Land. Internationale Hilfsorganisationen liefern ebenfalls Generatoren.
AKW liefern wieder Strom
Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezeichnete die russischen Angriffe auf die ukrainische Strom- und Wasserversorgung als Kriegsverbrechen, die Konsequenzen haben müssten. Die USA äußerten sich auf gleiche Weise.
Am Donnerstag sind drei nach russischen Raketenangriffen vom Stromnetz getrennten ukrainischen Atomkraftwerke wieder ans Netz gegangen. Es sei gelungen, die Anlagen in der Früh wieder anzuschließen, teilte das ukrainische Energieministerium via Telegram mit. Laut Plan sollten die Atomkraftwerke in den nachfolgenden Stunden wieder Strom liefern. „Die Besatzer tun alles, damit Menschen leiden, damit wir einander nicht einmal fühlen oder sehen“, lautete das Fazit des ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj
Der Ukraine stehen dunkle und kalte Monate bevor.
Der Strom ist ausgefallen, Bewohner Kiews nutzen öffentliche Plätze, um ihre Handys aufzuladen. Foto: reuters / Sezer
Wiener Zeitung