D – Wirtschaftsminister auf Wasserstoff-Mission in Namibia

5. Dezember 2022, Windhuk/Berlin

Viel Sonne, viel Wind – und viel Platz: Die Bedingungen für die Produktion von „grünem“ Wasserstoff in Namibia gelten als ideal. Davon will auch Deutschland für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft profitieren. Wirtschaftsminister Robert Habeck macht am Montag in der namibischen Hauptstadt Windhuk deutlich: Es soll um eine Partnerschaft auf Augenhöhe gehen.

Im State House, dem Sitz von Namibias Präsident Hage Geingob, ist volles Haus. Vizekanzler Habeck hat eine große Delegation mit vielen Managern mitgebracht. Geingob sagt, so etwas habe es noch nie gegeben und wirbt für deutsche Investitionen. Jeder Manager aus Deutschland darf sich kurz vorstellen. So sagt ein E.ON-Manager, der Konzern suche nach Möglichkeiten, grünes Ammoniak zu importieren. Die Firma Hylron plant in Namibia die Produktion von „grünem Eisen“ und bekommt einen Förderbescheid des Wirtschaftsministeriums.

Die Signale stehen also auf „grün“. Bis 2045 soll Deutschland CO2-neutral sein. Dafür müssen Produktionsprozesse etwa in der Stahl- und Chemieindustrie komplett umgestellt werden. Es werden riesige Mengen „grünen“ Wasserstoffs gebraucht, der auf Basis von Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt werden soll und dann durch die Elektrolyse von Wasser entsteht. Es sind Industriebereiche, in denen eine Elektrifizierung technisch nicht möglich oder nicht wirtschaftlich ist, wie es in einem Papier des Bundesverbandes der Deutschen Industrie heißt.

In Namibia – mehr als doppelt so groß wie Deutschland, aber mit knapp 2,6 Millionen Einwohnern – ist ein großes Projekt zum Aufbau einer Produktion von grünem Wasserstoff mit einem Investitionsvolumen von rund zehn Milliarden Dollar (etwa 9,5 Mrd. Euro) geplant. Das entspreche etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung Namibias, sagt Habeck. Das Land setzt große Hoffnungen in das Projekt. Es soll eine wesentliche Rolle dabei spielen, Namibia nach vorne zu bringen, wie Energieminister Tom Alweendo deutlich macht.

An dem Vorhaben, das schon eine Weile läuft, ist auch die deutsche Firma Enertrag beteiligt. Unternehmenschef Gunar Hering sagt mit Blick auf den Besuch Habecks und vor dem Hintergrund der Finanzierung des Projekts, es sei „extrem wichtig“, dass sichtbar werde, dass Deutschland hinter dem Projekt stehe.

In Namibia gebe es die Riesenmöglichkeit, mit der Produktion von grünem Wasserstoff und grünem Ammoniak die riesige Fläche des Landes zu nutzen. Das Projekt soll auch dazu dienen, Jobs zu schaffen und die Entwicklung Namibias voranzutreiben. Der Wasserstoff soll in Ammoniak umgewandelt, ab 2027 per Schiff nach Deutschland transportiert und vor allem in der Düngerherstellung und der chemischen Industrie eingesetzt werden – und Erdgas ersetzen. RWE hat bereits eine Absichtserklärung zur Abnahme von grünem Ammoniak aus Namibia unterzeichnet. Der Energiekonzern will bis 2026 ein Terminal in Brunsbüttel bauen, das als ein Zielhafen dienen könnte.

Das Projekt ist in einem Nationalpark im Süden Namibias geplant, in dem früher Diamanten abgebaut wurden. In der Nähe liegt die Hafenstadt Lüderitz, die von dem Projekt profitieren soll. Das spannt auch den Bogen zur Geschichte. Den Grundstein für die Kolonialisierung Namibias durch das Deutsche Reich legte der aus Bremen stammende Kaufmann Adolf Lüderitz, der 1883 von den Ureinwohnern eine bis heute nach ihm benannte Bucht und weitere Gebiete erwarb.

Habeck sagt, er sehe alles, was sich in Namibia aufbaue, auch im „Lichte der Geschichte“. Deutschland habe vor knapp 120 Jahren Schuld auf sich geladen. Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im damaligen Deutsch-Südwestafrika und schlug Aufstände nieder. Während des Herero-und-Nama-Kriegs von 1904 bis 1908 kam es zu einem Massenmord, der als erster Genozid des 20. Jahrhunderts gilt. Die Bundesregierung und die namibische Regierung hatten sich auf ein Aussöhnungsabkommen verständigt, das noch von den Parlamenten ratifiziert werden muss.

Das Wasserstoffprojekt und die deutsche Geschichte seien für ihn nicht völlig getrennt, sagt Habeck, auch wenn seine Gesprächspartner in Namibia das nicht angesprochen hätten. Auch für ihn persönlich sei es entscheidend, dass das Projekt den Menschen in Namibia nütze. „Das Letzte, was wir akzeptieren dürfen, ist eine Art von grünem Energie-Imperialismus.“ Das würde bedeuten, dass Namibia Energie entwickle, Europa oder Deutschland sie absauge und das Land wieder alleinlasse.

Deutschland mache Namibia ein Angebot, das sich vielleicht von „energiehungrigen“ Ökonomien unterscheide, sagt Habeck. Deutschland wolle, dass sich das Land stärker entwickle, dass die Menschen qualifiziert würden, Jobs fänden und die Arbeitslosigkeit sinke. Die Energieversorgung für Namibia und sein Nachbarland Südafrika könne robuster und klimafreundlicher werden. Geplant sind Pipelines.

Was dann übrig bleibe, wolle Deutschland gerne als grünen Ammoniak abnehmen, das über die Meere transportiert werden könne. Ein wichtiger Lieferant soll Namibia werden – aber längst nicht der einzige, um nicht wieder abhängig zu sein wie früher bei russischem Gas.

APA/dpa

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