Frankreich will Rückstand bei Erneuerbaren aufholen

11. Jänner 2023, Paris
Frankreich will Windkraft und Co

Frankreichs neues Gesetz zum Ausbau der bisher vernachlässigten erneuerbaren Energien hat Kritik von Umweltorganisationen ausgelöst. „Es wird den Ausbau von Windrädern auf dem Land noch weiter ausbremsen“, kommentierte Greenpeace das am Dienstagabend von der Nationalversammlung verabschiedete Gesetz, das noch durch den Vermittlungsausschuss muss. Die Organisation WWF bemängelte, dass das Gesetz nicht weit genug gehe.

Die Pflicht zur Einrichtung von Solaranlagen hätte auch auf kleinere Parkplätze und bestehende Gebäude ausgedehnt werden sollen, betonte die Organisation. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass auf Parkplätzen mit mehr als 1.500 Quadratmetern Schattendächer mit Solaranlagen nach und nach verpflichtend werden. Zudem sind weitere Windparks vor der Küste und ein Abbau der Bürokratie vorgesehen.

„Das Gesetz erkennt nun offiziell an, dass es nötig ist, erneuerbare Energien massiv und schnell auszubauen, um das Klima zu schützen und die Energiesicherheit zu gewährleisten“, sagte Daniel Bour, Vorsitzender eines Berufsverbands für Solarenergie.

Die Abgeordneten hatten den Gesetzentwurf unter chaotischen Umständen verabschiedet. Wegen einer Panne des elektronischen Abstimmungssystems mussten in aller Eile 577 namentliche Abstimmungszettel gedruckt und verteilt werden. Die Abstimmung verzögerte sich um mehrere Stunden und fand dann parallel zur Vorstellung der Rentenreform durch Premierministerin Elisabeth Borne statt.

Das Gesetz sei nötig, „um unsere Verspätung bei den erneuerbaren Energien aufzuholen“, sagte die Ministerin für die Energiewende, Agnès Pannier-Runacher, die dann wegen eines Hustenanfalls ihre Rede abbrechen musste.

Der Gesetzentwurf wurde mit 286 zu 238 Stimmen angenommen. Da das Regierungslager keine absolute Mehrheit mehr hat, war es auf Stimmen des Linksbündnisses Nupes angewiesen. Letztlich stimmten aber nur die Sozialisten dafür. Die Grünen enthielten sich, weil ihnen das Gesetz nicht weit genug geht.

Frankreich ist europaweit das einzige Land, das seine selbst gesteckten Ziele beim Ausbau erneuerbarer Energien bisher nicht erreicht hat. Geplant war ein Anteil von 23 Prozent bis 2020, erreicht wurden lediglich 19,3 Prozent.

Präsident Emmanuel Macron hatte vor gut einem Jahr angekündigt, die Kapazität für Sonnenenergie bis 2050 zu verzehnfachen und mindestens 100 Gigawatt zu erreichen. 2021 hatte Frankreich gerade mal Anlagen mit einer Kapazität von 15 Gigawatt installiert, in Deutschland waren es 59 Gigawatt.

Auch bei der Windenergie hinkt Frankreich europaweit hinterher. Bis zum Aufbau einer Windkraftanlage sind im Schnitt sieben Jahre nötig. Manche bürokratischen Hürden sollen durch das neue Gesetz aber nun abgebaut werden.

Besonders umstritten ist weiterhin das Mitspracherecht der örtlichen Bürgermeister. Das Gesetz sieht nun vor, dass die Kommunen an der Ausweisung geeigneter Gebiete für Windräder oder Solaranlagen beteiligt sein sollen. Die Linken befürchten allerdings ein faktisches Vetorecht für die Bürgermeister.

Auf Wunsch der rechten Opposition, die regelmäßig gegen die „Verschandelung der Landschaften“ wettert, enthält das Gesetz einen Passus, nach dem eine „visuelle Sättigung“ vermieden werden soll. Windräder „verderben die Augen und das Hirn“, erklärte der rechtspopulistische Abgeordnete Pierre Meurin.

Wegen der großen Unbeliebtheit der Windräder auf dem Land sollen verstärkt Windparks vor der Küste gebaut werden. Obwohl Frankreich ohne seine Überseegebiete etwa 5.500 Kilometer Küsten hat, gibt es bisher nur einen einzigen Offshore-Park bei Saint-Nazaire, der 80 Windräder umfasst.

Die rechte Opposition hatte vergeblich einen Mindestabstand von 40 Kilometern bis zur Küste gefordert. Stattdessen sind nun gut 22 Meter vorgesehen.

Das Gesetz geht nun in den Vermittlungsausschuss und soll im Februar endgültig verabschiedet werden. Vom 17. Jänner an debattiert der Senat zudem über den geplanten Ausbau der Atomkraft.

APA/ag

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