Kaunertal-KW: Gutachten zeigen geologische Instabilität

12. Jänner 2023, Innsbruck/Kaunertal

Zwei geologische Gutachten aus den Jahren 2020 und 2016 zeigen laut Umweltschutzorganisation WWF die geologische Instabilität der Berghänge rund um das bestehende Kaunertal-Kraftwerk, das der landeseigene Energieversorger Tiwag zum Pumpspeicherkraftwerk ausbauen will. Die Klimakrise verstärke diese Situation außerdem noch, weshalb man von der Tiroler Landesregierung das Einsetzen einer „unabhängigen Expertenkommission“ fordere, hieß es seitens des WWF.

Bereits seit der Inbetriebnahme des Kraftwerks in den 1960er-Jahren hätten sich die Hänge rund um den Gepatschstausee konstant bewegt, sagte Bettina Urbanek, die beim WWF auf das Thema Gewässerschutz spezialisiert ist, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. „Durch den Ausbau des Kraftwerks zum Pumpspeicherkraftwerk werden die dafür verantwortlichen Wasserspiegelschwankungen sogar noch stärker“, hielt sie fest.

Dazu kommen laut Urbanek durch den Klimawandel verursachte Entwicklungen wie etwa Gletscherschmelze oder das Tauen von Permafrostböden: „Dadurch werden Naturgefahren im Kaunertal noch wahrscheinlicher.“ Auch aus diesem Grund brauche es jetzt rasch weitere unabhängige Experten-Gutachten, an denen etwa Klima- oder Gletscherforscher und nicht die Projektwerber beteiligt seien, so Urbanek.

Oberstes Ziel sei dabei nach wie vor der Stopp des derzeit laufenden Prozesses, erklärte sie. Anita Hofmann, Obfrau des Vereins „Lebenswertes Kaunertal“, assistierte ihr dabei: „Wir wollen, dass es gar nicht in Richtung Umweltverträglichkeitsprüfung-Verfahren (UVP) geht.“ Dass das Projekt derzeit weiterverfolgt werde, sei für sie „unverständlich“.

Naturgemäß anders beurteilte Wolfgang Stroppa von der Tiwag, Leiter des Programmbüros für Kraftwerksprojekte und am Rande der Pressekonferenz vor Ort, die Lage. Die Situation im Kaunertal rund um das Kraftwerk und dessen Ausbaupläne würden regelmäßig von der im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft angesiedelten Staubeckenkommission geprüft. Deren Gutachten aus dem Jahr 2015 sei „zu einer positiven Beurteilung des Projektes gelangt“ und sehe etwa zusätzliche Messpunkte vor, so Stroppa.

Die Tiwag wolle jedenfalls „intensiv und mit Hochdruck“ weiterarbeiten, um „das Projekt voranzutreiben“, sagte Stroppa weiters. Der Ausbau im Kaunertal sei für die Energieunabhängigkeit Tirols und die Stärkung der Stromversorgung „ein essenzieller Beitrag“.

Die oppositionelle Liste Fitz nahm unterdessen die neuen Gutachten zum Anlass, einen sofortigen Stopp des Projektes zu fordern. „Die Gutachten verheißen nichts Gutes. Sie sind ein Alarmsignal und Weckruf und sind unbedingt ernst zu nehmen“, erklärte Klubobmann Markus Sint in einer Aussendung. Das zunehmende Risiko vor Naturkatastrophen befeuert durch den Klimawandel zeige, dass dieses „überdimensionierte Megakraftwerk“ im Kaunertal nicht realisierbar sei. „Aus umwelt- und naturschutzrechtlichen Gründen, aufgrund sicherheitstechnischer Überlegungen und aufgrund wirtschaftlicher Gegebenheiten gehört dieses Kaunertal-Kraftwerk sofort gestoppt, bevor das Landesunternehmen Tiwag noch weitere Millionen an Tiroler Steuergeld für Gutachten und Planungen ausgibt“, meinte Sint.

Die Pläne für das Mega-Pumpspeicherkraftwerk waren erstmals 2009 eingereicht worden. Die UVP für die rund zwei Milliarden Euro teure Erweiterung des Kraftwerks war 2012 gestellt worden. Spätestens bis Ende Februar 2023 soll eine Entscheidung fallen, wie es mit dem Projekt weitergeht. Umweltorganisationen hatten sich vehement gegen das Projekt ausgesprochen. 40 Vereine und Wissenschafter hatten als „Umweltallianz“ im Mai die „Kaunertal-Erklärung“ unterschrieben, in der sie den sofortigen Ausbau-Stopp forderten. Im August hatte sich die Alpenschutzkommission CIPRA-International, der über 100 Organisationen aus dem Alpenraum angehören, der Kritik angeschlossen.

Für das Projekt plant die Tiwag, bis zu 80 Prozent des Wassers aus der Venter und Gurgler Ache im 34 Kilometer entfernten Ötztal – einem der niederschlagsärmsten Täler Tirols – auszuleiten. Zudem würden im Platzertal neun Fußballfelder an Moorflächen geflutet. Mit seinen 120 Metern wäre der Staudamm fast so hoch wie der Stephansdom in Wien und sieben Mal so hoch wie das Goldene Dachl.

APA

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