Umstritten: al-Jaber – Vom Ölkonzern zum COP28-Chef

23. Jänner 2023, Dubai
Archivbild Ahmed al-Jaber - Abu Dhabi, APA/UAE's Ministry of Presidential Affairs

Die Öl- und Gasindustrie ist großer Mitverursacher des Klimawandels. Dass nun ausgerechnet der Vorsitzende eines Ölkonzerns die im November anstehende Weltklimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten leiten soll, sorgt bereits jetzt für Empörung. Sultan Ahmed al-Jaber ist Geschäftsführer und Chef des staatlichen emiratischen Energieunternehmens ADNOC. Und im Herbst dann auch Vorsitzender der wichtigsten UNO-Verhandlung des Jahres über den Klimaschutz, der COP28.

Die Klimaaktivistinnen Greta Thunberg und Luisa Neubauer bezeichneten die Personalie auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos vor wenigen Tagen als „lächerlich“. Der Professor für Klimawandel vom University College London, Mark Maslin, twitterte, die großen Ölfirmen hätten bei den Klimaverhandlungen unter dem Dach der UNO nun endgültig ihre Hände mit im Spiel. Auch der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss sprach von einer „äußerst zweifelhaften Entscheidung“.

Der Ölkonzern-Chef al-Jaber gilt zugleich aber auch als Treiber beim Ausbau erneuerbarer Energien im Golfstaat. Er sitzt etwa einem staatlichen Unternehmen für nachhaltige Energiegewinnung vor und ist seit vielen Jahren führender Vertreter seines Landes bei den Klimaverhandlungen.

„Es besteht zwar kaum ein Zweifel daran, dass Sultan Ahmed al-Jaber ein fähiger COP-Präsident sein wird“, sagt Peter Lydén von der Umweltorganisation Germanwatch der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass er sich wirklich ehrgeizig für eine politische Einigung über den Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen einsetzen kann.“ Unter einer Voraussetzung könnte al-Jaber nach Ansicht des Klima-Experten dennoch einen guten Job machen: „Wenn er von seiner Rolle bei ADNOC zurücktritt“. Diesen Schritt hat Al Jaber bisher nicht in Aussicht gestellt.

Um den Vorwurf eines möglichen Interessenskonflikts zu zerstreuen, betonte der Spitzenvertreter der Ölindustrie am Golf nach seiner Ernennung zum COP28-Chef vor rund zwei Wochen die große Bedeutung der Maßnahmen gegen die Erderwärmung. Die Welt laufe dem Pariser Klimaschutzziel, die Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, hinterher. „Die harte Wirklichkeit ist, dass die weltweiten Emissionen bis 2030 um 43 Prozent fallen müssen“, warnte al-Jaber, der auch emiratischer Industrieminister ist. Der Golfstaat sei sich seiner Verantwortung dabei bewusst.

Das Gastgeberland der diesjährigen COP, die am 30. November beginnt, zählt zu den zehn größten Ölproduzenten der Welt und ist damit auch ein wichtiger Garant der internationalen Energiesicherheit. Auch Deutschland setzt derzeit vermehrt auf Energielieferungen aus den Emiraten, um etwa ausbleibendes Gas aus Russland zu ersetzen.

Die bei der Verbrennung von Gas, Öl und Kohle freigesetzten Treibhausgase wie CO2 sind jedoch der Hauptgrund für die Erderwärmung und ihre fatalen Folgen – etwa Dürren, Hitzewellen, Wirbelstürme, Überschwemmungen sowie der Meeresspiegelanstieg.

Kann ein Land, das im großen Stil auf fossile Energiequellen setzt, überhaupt ein geeigneter Gastgeber für die Klimakonferenz sein? Das Angebot der Emirate, die COP28 zu leiten, wurde laut UNO von dem zuständigen Gremium im Konsens angenommen. Voraussetzung für die Gastgeberländer ist demnach lediglich, dass sie logistisch, technisch und finanziell imstande sind, die Konferenz auszurichten. Die Klimabilanz der Staaten spielt laut UNO-Statuten keine Rolle.

Peter Lydén von Germanwatch sieht die Wahl derweil nicht als Problem: „Im Gegenteil, eine COP in einem großen Öl- und Gasförderland bringt die notwendige Aufmerksamkeit für die Fragen des Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen, des Ausbaus erneuerbarer Energien und der gerechten Transformation der Gesellschaften.“ Den Botschaften und Aktivitäten der fossilen Industrien und Regierungen entgegenzutreten sei dabei aber eine Herausforderung, räumt der Klima-Experte ein.

Einige Beobachter warnen vor einem wachsenden Einfluss von Lobbyisten aus der Öl- und Gasindustrie auf die Klimaverhandlungen. Bei der Vorjahreskonferenz in Ägypten waren laut der Umweltorganisation Global Witness und des Corporate Europe Observatory zufolge mehr als 600 Lobbyisten für Öl, Gas und Kohle registriert – und damit 25 Prozent mehr beim Treffen 2021 in Glasgow. Global Witness stufte auch 70 der insgesamt 1.000 Delegierten aus den Emiraten, die an der COP27 teilnahmen, als Öl-Lobbyisten ein.

APA/dpa

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