Wozu hat der Stromversorger EVN so viele ÖVP-Politiker in seinen Beiräten?

30. Jänner 2023, Wien

Transparenz. Nationalrats- wie Landtagsabgeordnete dürfen Nebenjobs haben, sofern sie diese offenlegen. Genau hier fehlt es aber zuweilen an Vollständigkeit — und an Sanktionen. Zudem stellt sich die Frage: Wann beginnt ein Interessenkonflikt?

Dass Abgeordnete Nebenjobs haben, ist legitim — sofern sie diese bekannt geben. Auf der Homepage von Parlament oder Landtag. Allein: Die Praxis variiert stark. „Wie genau die Listen sind, ist von Bundesland zu Bundesland verschieden“, sagt Marion Breitschopf von der Transparenzplattform Meine Abgeordneten. Und das, obwohl das Unvereinbarkeits- und Transparenzgesetz seit 2013 Richtlinien vorgibt. „Trotzdem fehlen Vollständig- und Einheitlichkeit“, sagt sie. So geben manche Abgeordnete einen Nebenjob an, aber nicht, wie viel sie damit verdienen.
Zu ihnen zählt ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner. „In seiner aktuellen Offenlegungsliste ist sein Beschäftigungsverhältnis bei der ÖVP Niederösterreich angeführt, aber die Einkommenskategorie fehlt“, sagt Breitschopf. Dann wieder gibt es Fälle, bei denen präzise alle Posten aufgelistet sind — und eben das stutzig macht. So fällt auf, dass rund ein Drittel der Mitglieder des Nachhaltigkeitsbeirats der EVN aktuelle oder einstige ÖVP-Politiker sind — weit weniger sind der SPÖ und FPÖ zugehörig. Wofür es sie braucht? Um „den Vorstand zu wichtigen Fragen der nachhaltigen Unternehmensführung“ zu beraten, verrät die Homepage des Energieversorgers, dessen Mehrheitseigentümer das Land Niederösterreich ist. Weshalb der schwarze Überhang? Zufall sei er nicht, heißt es aus der EVN. Man suche die Nähe zu den Bürgern, und deren Vertreter hätten eben zuhauf ein schwarzes Parteibuch.

Geld für Beiräte — ja oder nein?

Ebenfalls unproblematisch gesehen wird, wenn eine Person in zwei Gremien des Konzerns sitzt, wie Kurt Hackl. Der ÖVP-Mandatar ist Teil des Nachhaltigkeits- und des Beirats der EVN Wasser. Als Geschäftsführer von Letzterer agiert sein Parteikollege Franz Dinhobl. Die Aufgabe: „Das Trinkwasser in Niederösterreich zu sichern“, sagt EVN-Sprecher Stefan Zach. „Bei Bedarf“ mithilfe des Beirats, wobei die dort befindlichen Abgeordneten „alle auf eine Vergütung verzichten“. Im EVN-Nachhaltigkeitsbeirat sei das nur teilweise so, 2022 wurden daher „Vergütungen von insgesamt 98.400 Euro bezahlt“.

Der Landtag weiß davon offenbar nichts: Auf der Homepage ist bei Hackl und seinen zwei ÖVP-Kollegen aus dem Wasser-Beirat zu lesen, dass aus ihrer Tätigkeit sehr wohl „Vermögensvorteile erzielt werden“.
Fest steht: „Das Konzept des Parlamentarismus sieht für frei gewählte Volksvertreter weder Berufsverbot noch Befangenheitsregeln vor“, sagt Christoph Fuchs, Sprecher der Landtagsdirektion. Auch Landesverfassung und Geschäftsordnung des Landtags sehen keine Stimmenthaltung für Abgeordnete vor. Das sei nicht nötig, da nicht nur die Biografien der Abgeordneten veröffentlicht werden, sondern auch alle „Verhandlungsgegenstände, Debatten und Beschlüsse“.

So ist dort nachzulesen, dass EVN-Wasser-Geschäftsführer Dinhobl beim Beschluss des „blau-gelben Strompreisrabatts“ als Berichterstatter fungiert hat. Das Gesetz, das den Bezug von Strom subventioniert, wurde einstimmig beschlossen. Warum er der Abstimmung ob seiner Doppelfunktion nicht fernblieb? Weil es nicht nötig war, wie er auf „Presse“-Anfrage sagt. Es gebe ja keinen Interessenkonflikt: „Die Förderung kommt nicht der EVN zu, sondern der Bevölkerung.“ Kurzum: „Die EVN und andere Energieversorger erledigen die Abwicklung, das Land schickt das Geld an die Einzelnen.“ Ähnlich verlautet aus dem ÖVP-Landtagsklub: „Der Beirat hat keinerlei operative Aufgabe, weshalb auch keine Interessenkonflikte bestehen können.“

Wann besteht ein Interessenkonflikt?

In dieselbe Kerbe schlägt die SPÖ: Im Beirat würden keine Entscheidungen getroffen, also gebe es keinen Interessenkonflikt. Ob trotzdem die Möglichkeit zur Enthaltung im Landtag geschaffen werden sollte? Das stehe nicht zur Debatte, wird abgewunken.

Tatsächlich ist aus juristischer Perspektive nichts dagegen einzuwenden, einem Unternehmen beratend zur Seite zu stehen. Das Gesetz verbietet lediglich Regierungsmitgliedern, Klubobleuten und Nationalratspräsidenten entgeltliche Nebentätigkeiten. „Man sollte nicht hinter allem etwas Korruptes oder Unvereinbarkeiten sehen, was relativ normal ist“, meint auch der Politikwissenschaftler Hubert Sickinger.

Aber, wendet Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle ein: „Das heißt nicht, dass man sich nicht bei Abstimmungen enthalten sollte, um Interessenkonflikte zu vermeiden.“ Immerhin fließe für die Tätigkeit meist Geld. „Aber auch von ehrenamtlichen Engagements der Abgeordneten sollten die Bürger wissen.“ Immerhin prägten Mitgliedschaften in Vereinen einen Menschen. „Eine bundeseinheitliche Regelung samt Sanktionen, wenn Daten nicht rechtzeitig oder unvollständig eingemeldet werden, täte daher gut“, findet die Politik- und Rechtswissenschaftlerin. Ähnlich Breitschopf: „Das freie Mandat soll gelebt werden, doch wäre eine strenge Regelung, die es Politikern untersagt, im Fall eines Interessenkonflikts mitzustimmen, wünschenswert.“ Im Moment aber „gibt es nicht einmal Sanktionen bei Verstößen gegen das Offenlegungsgesetz“.

Apropos Transparenz: ÖVP-Landesgeschäftsführer Ebner räumt auf Anfrage ein, seine Daten noch nicht an den Landtag übermittelt zu haben. Die Transparenzliste bleibt nicht nur deshalb lückenhaft.

Die Presse

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