Bilanz. Hohe Öl- und Gaspreise verhelfen der OMV zu einem Gewinnsprung. Eine knappe Milliarde landet beim Staat.
OMV-Chef Alfred Stern kann auch in seinem zweiten Jahr eine starke Bilanz vorlegen. Der Umsatz stieg um 75 Prozent auf 62,3 Milliarden Euro, das operative Konzernergebnis wurde auf 12,3 Milliarden Euro mehr als verdoppelt, der Nettogewinn stieg um 85 Prozent auf 5,2 Milliarden Euro. Der kleine „Schönheitsfehler“ aus der Sicht des Managers, der angetreten ist, um die alte OMV in einen nachhaltigen Chemiekonzern zu verwandeln: Auch im zweiten Jahr verdankt er die guten Zahlen just dem angezählten fossilen Kerngeschäft des teilstaatlichen Unternehmens.
Während die Chemiesparte angesichts sinkender Nachfrage und schwächerer Gewinnmargen mit 1,5 Milliarden Euro um ein Drittel weniger zum bereinigten Betriebsergebnis beitrug als im Vorjahr, wuchsen die Einnahmen aus dem fossilen Raffinerie- und Explorationsgeschäft dank der hohen Öl- und Gaspreise um gut 150 Prozent auf knapp zehn Milliarden Euro. Und das, obwohl die Auslastung der Raffinerien nach dem Störfall in Schwechat auf 73 Prozent gesunken ist und auch die Öl- und Gasproduktion um 19 Prozent nach unten gegangen ist.
Der Staat als größter Profiteur
In der heimischen Innenpolitik weckten die hohen Gewinne des Konzerns umgehend Begehrlichkeiten: SPÖ und FPÖ forderten eine stärkere Abschöpfung der „Krisengewinne“ sowie ein Aussetzen der CO2-Steuer. Dabei sei die Republik, die über die Staatsholding Öbag 31,5 Prozent der OMV-Anteile hält, jetzt schon „der größte Profiteur“, kontert Alfred Stern. 2022 habe das Unternehmen bereits 300 Millionen Euro an Steuern und Abgaben wie dem Förderzins bezahlt. Dazu komme die Rekorddividende von 2,80 Euro je Aktie sowie eine Sonderdividende über 2,25 Euro je Aktie. Auch die Solidaritätsabgabe schlägt mit 90 Millionen Euro zu Buche. In Summe liefert die OMV für 2022 eine knappe Milliarde Euro an den Fiskus ab.
Das Instrument der Sonderdividende will der Konzern auch in Zukunft beibehalten, solang es der Schuldenstand erlaubt. Die Anleger an der Börse reagierten dennoch verhalten auf die Bilanz, die Aktie verlor im Tagesverlauf etwa fünf Prozent an Wert.
Österreichs Versorgungssicherheit mit Erdgas sieht Stern für heuer als gesichert an. Und auch für den kommenden Winter seien die Vorbereitungen bereits voll im Gang. Auf Lieferungen aus Russland kann und will sich das Unternehmen nicht mehr verlassen. Im Vorjahr lieferte Gazprom die von der OMV bestellten Mengen nach Deutschland gar nicht. Nach Österreich kamen „unzuverlässig“ zwischen 30 und 100 Prozent des vereinbarten Volumens. Stattdessen setzt die OMV auf selbst produziertes Gas aus Norwegen und Österreich, um die Versorgung der eigenen Kunden im Land zu sichern. Auch aus Italien und über den LNG-Terminal in Rotterdam sollen zusätzliche Mengen kommen. Vorausgesetzt, die notwendigen Pipeline-Kapazitäten können ersteigert werden.
Weitere Verkäufe stehen an
An der im März ausgegeben Strategie, die unter anderem eine Reduktion des Öl- und Gasgeschäfts um ein Fünftel bis 2030 vorsieht, will der Vorstand festhalten. Der Komplettverkauf des gesamten internationalen Öl- und Gasgeschäfts ist zwar vom Tisch, doch einzelne fossile OMV-Assets dürften in den kommenden Monaten den Besitzer wechseln. Verantwortlich für diese Portfolio-Bereinigung wird Berislav Gaso sein, der im Frühjahr als Vorstand für das neu geschaffene Segment „Energy“ zur OMV stoßen wird.
Die Produktionen in Österreich und Norwegen dürften dabei ebenso wenig auf der Verkaufsliste stehen wie die OMV-Tochter Petrom in Rumänien. Auch die Beteiligung am russischen Gasfeld Juschno-Russkoje, das die OMV bereits zur Gänze abgeschrieben hat, kann vorerst nicht veräußert werden. Das Gasfeld habe auch für Russland strategische Bedeutung, „und damit sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie man dort aussteigen kann, sehr eingeschränkt“. Aktuell weiß die OMV nicht einmal, ob und wie viel in Juschno-Russkoje gefördert wird. Auch etwaige Gewinne der Beteiligung werden aufgrund des Krieges aktuell nicht mehr an das Unternehmen ausgezahlt.
Diszipliniert und pragmatisch
Die starke Abhängigkeit des Konzerns von der Öl- und Gassparte sei eine Momentaufnahme und spreche nicht gegen die neue Strategie des Unternehmens, betont Stern. „Öl und Gas werden noch längere Zeit für die Sicherung der Energieversorgung gebraucht werden, aber sie sind im Westen kein Wachstumsgeschäft mehr.“
Der Übergang zu den neuen Geschäftsfeldern, die der Konzernführung vorschweben, müsse dennoch „diszipliniert und pragmatisch“ erfolgen, um „nicht nur nachhaltig, sondern auch liefersicher und wettbewerbsfähig“ zu bleiben. Auch deshalb sei etwa das Neptun-Projekt (die Ausbeutung eines großen Gasfelds im Schwarzen Meer) weiterhin für die OMV interessant. Das dürfe aber nicht davon ablenken, „dass wir auch 2040 und 2050 noch erfolgreich sein wollen“. Dafür müssten schon heute grünere Geschäftsfelder wie die Ölproduktion aus Kunststoffabfall ausgebaut werden, die den Gewinn in Zukunft tragen sollen.
von Matthias Auer
Die Presse