Manfred Freitag, Sprecher des Vorstandes der Kelag, über „Tarifflucht“ in die Grundversorgung, die Preiskalkulation und ein Jahr Wirren am Energiemarkt.
Vor einem Jahr überfiel Russland die Ukraine, die Energiepreise sind explodiert. Jetzt sinken sie kräftig. Kehren die Horrorpreise zurück?
MANFRED FREITAG: Was im Winter 2023/24 sein wird, wissen wir nicht. In diesem Winter ist es zu keiner Verknappung gekommen, daher bleibt nur das emotionale Thema des Preises übrig. Das tut mir schon weh, denn vor einem dreiviertel Jahr hatten wir ganz andere Sorgen.
Wie ernst war die Lage?
Es hätte ernst werden können. Was uns geholfen hat, waren ein milder Dezember und ein milder Jänner, mit zehn bis zwölf Prozent weniger Energieverbrauch.
Wo sich die Preise hinbewegen werden, bleibt eine Unbekannte?
Die Preise heute sind noch weit weg vom Startniveau. Das ist aber bei unseren Kunden nie angekommen. Wir hätten im August bis zu 100 Cent pro Kilowattstunde verrechnen müssen – und nicht ein Zehntel davon.
Neukunden zahlen viel mehr, 35 Cent, der flexible Tarif kostet sogar 52,4 Cent – netto. Der Strom bei der Kelag hat also ein Mascherl.
Nein, der Vertrag hat ein Mascherl. Seit einem Jahr bekommen die Kunden im Flextarif monatlich Preise übermittelt mit dem Angebot, auf ein billigeres Produkt umzusteigen. Wir sind trotzdem die bösen Buben.
Der Gaspreis ist auf dem Niveau wie ein halbes Jahr vor dem Krieg. Warum sinkt der Strompreis nicht auf das Niveau von damals?
Er würde es tun, wäre Gas der einzige Preistreiber. Aber in der Merit-Order ist derzeit die Erzeugung anderer fossiler Kraftwerke teuer, zum Beispiel aus Kohle. Je mehr wir erneuerbare Energie haben, desto positiver ist der Einfluss auf den Preis.
Warum sollte man jetzt auf eine Wärmepumpe umstellen, wenn der Strompreis so hoch ist?
Die Wärmepumpe ist die effizienteste umweltfreundliche Heizung. Alles, was Wärme betrifft, unterlag einer Kostensteigerung, nicht nur Strom. Die Fossilen müssen wir wegkriegen, sonst werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen.
Was müsste dafür passieren?
Wir brauchen alles – Wasser, Wind und PV –, weil die Technologien jahreszeitlich unterschiedliche Schwerpunkte haben. Mit dem Begriff „bilanziell“, wonach sich Kärnten selbst mit Strom versorgt, wird derzeit vieles wegdiskutiert.
Wieso argumentieren Sie immer mit Großmarktpreisen, obwohl die Kelag 80 Prozent des Stroms selbst produziert?
Das ist das Marktmodell. Und wir sind Teil eines Marktes.
Der Strom aus Ihren Wasserkraftwerken wurde nicht teurer.
Nein, der nicht. Aber der zugekaufte Strom. Mit der Eigenerzeugung kommen wir nicht aus. Wem verrechnen wir jetzt den hohen Preis vom Markt, wem den günstigeren vom Wasserkraftwerk? Das geht so nicht.
Die FPÖ wirft Ihnen vor, Kärntner Kelag-Strom günstig nach Slowenien zu liefern. Was ist da dran?
Nichts. Grenzüberschreitender Handel von Strom nach Slowenien findet von der Kelag nicht statt.
Physikalisch ist das möglich.Ja, aber wir handeln Kärntner Strom nicht über die Grenze.
Die Energieversorger holen sich Geld vom Staat über den Umweg der Strompreisbremse – und schnalzen die Preise dann nach oben.
Wir haben nicht erhöht.
Schon, außerhalb Kärntens.
Das war zum Schutz der Kärntner Kunden. Wenn ich außerhalb Kärntens der günstigste, ich aber für die Kunden nicht eingedeckt bin, dann habe ich ein betriebswirtschaftliches Problem.
2022 bringt Rekordgewinne?
Nur so viel: Es war ein wirtschaftlich erfolgreiches Jahr. Wir investieren viel in Erneuerbare, unser Kapital kommt nun zeitverzögert verzinst zurück.
War es gescheit, sich bei der Grundversorgung an geltendes Recht nur heranzutasten?
Der Begriff Grundversorgung impliziert eine spezielle Lebenslage des Kunden, aber keine Tarifflucht. Hier braucht es Rechtssicherheit.
Hat es den erwarteten Run in die Grundversorgung gegeben?
Nein, mehr als 90 Prozent unserer Kunden hatten und haben ohnehin den günstigen Bestandskundentarif.
Mit Jahresmitte wird die Kelag den Strompreis anpassen. Sie warten also die Wahl ab?
Überhaupt nicht. Wir haben die Preisgarantie bis 1. April 2023 vor einem Jahr bekannt gegeben, da wusste noch keiner, wann die Wahl ist.
Na ja …
Man wusste nur, wann die Legislaturperiode endet.
Dass man die Preisgarantie für drei Monate verlängerte, ist der Landtagswahl geschuldet, oder?
Nein, unserer Beschaffungsstrategie. Wir beobachten ständig den Markt. Wenn Strom teurer wird, werden wir die Tarife anpassen müssen, so wie alle anderen auch.
Kleine Zeitung