Gaspreis: China, nicht Russland ist Europas Gefahr

2. März 2023, Paris

Energie. Die Internationale Energieagentur IEA warnt vor neuen Rekordpreisen für Erdgas. Mit Moskau hat das aber wenig zu tun. Stärker als ein Lieferstopp aus Russland könnte das wirtschaftliche Comeback Chinas die Preise treiben.

Paris. Europas Versorgung mit Erdgas könnte in den kommenden Monaten noch einmal stark unter Druck kommen, warnt die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem Gasmarktbericht. Dabei fürchtet sich der Thinktank der reichen Länder weniger davor, dass Kreml-Chef Wladimir Putin den Gashahn abdrehen könnte, sondern vielmehr vor dem Aufdrehen der chinesischen Wirtschaft.

Bis zum Ausbruch der Pandemie war China der mit Abstand größte Erdgasimporteur der Welt. Die strikte Null-Covid-Politik Pekings hat die Nachfrage im vergangenen Jahr drastisch einbrechen lassen, wodurch ausreichend Flüssiggasmengen (LNG) für Europa frei geworden und die Preise wieder gesunken sind.

„China ist die große Unbekannte im Jahr 2023“, sagte der IEA-Direktor für Energiemärkte und -sicherheit, Keisuke Sadamori. In einem — für China — optimistischen Szenario sei es jedoch möglich, dass die Volksrepublik ihre LNG-Importe um 35 Prozent in die Höhe schrauben werde. Da zugleich kaum zusätzliches Flüssiggas auf den Markt kommen dürfte, würde ein derart starkes Comeback der chinesischen Wirtschaft den globalen Wettbewerb um die vorhandenen LNG-Mengen kräftig antreiben. Die Preise, die zuletzt „auf ein erträgliches Niveau“ zurückgekehrt waren, könnten wieder „das unhaltbare Niveau des vergangenen Sommers erreichen, was insbesondere für die europäischen Abnehmer ein Problem darstellt“.

Die Unsicherheit ist groß

Die Prognose der IEA ist allerdings mit erheblichen Unsicherheiten behaftet und hängt stark davon ab, wie schnell die chinesische Konjunktur tatsächlich Fahrt aufnehmen kann. Die unterschiedlichen Szenarien zu Chinas LNG-Nachfrage im heurigen Jahr unterscheiden sich um 40 Millionen Kubikmeter. Das entspricht etwa acht Prozent der gesamten europäischen Nachfrage im heurigen Jahr. Die Summe ist „auch größer als die Unsicherheit, die ein möglicher Stopp der verbliebenen Pipelineimporte aus Russland für Europa bedeuten würde“, so die Internationale Energieagentur.
Stand heute rechnet die IEA damit, dass die gesamte Gasnachfrage der Volksrepublik um sieben Prozent steigen wird. Europa konnte seinen Verbrauch im Vorjahr drastisch kürzen und dürfte das auch heuer schaffen. (auer)

Die Presse

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