Experte: Die Energiekrise ist nicht vorbei

9. März 2023, Wien
Auch der nächste Winter wird herausfordernd - Hohenhameln, APA/dpa

Europa hat das Zusammentreffen gleich mehrerer von einander unabhängiger Energiekrisen recht gut bewältigt und ist gut über den Winter gekommen, sagt der Energieexperte Christoph Maurer vom Energieberatungsunternehmen Consentec. „Aber wir sollten uns auch bewusst sein: Die Energiekrise ist nicht vorbei“, warnte Maurer beim „Trendforum Oesterreichs Energie“. Auch der nächste Winter könne herausfordernd werden.

Es habe in diesem Winter eine Überlagerung mehrerer Energiekrisen gegeben, „die jede für sich genommen durchaus sehr relevant war und das Potenzial hatte, gerade im Stromsystem Versorgungssicherheitsprobleme zu verursachen“, sagte Maurer. Der Ausfall russischer Gaslieferungen habe nicht erst mit der Invasion in der Ukraine begonnen, sondern mindestens ein halbes Jahr davor. Die Liefermengen nach Europa seien unterhalb des langjährigen Minimums gelegen.

Dazu seien insbesondere in Frankreich, aber nicht nur dort, Probleme mit der Verfügbarkeit der Atomkraftwerke gekommen. „Faktisch hat Frankreich 2022 so wenig Strom aus Atomenergie produziert wie zuletzt davor 1989.“ Überdies habe die Trockenheit im Sommer und Herbst in ganz vielen Ländern dazu geführt, dass sowohl die Erzeugung der Laufwasserkraftwerke als auch die Reservoirs der Speicherkraftwerke extrem niedrig gewesen seien. „Österreich war da noch auf der besseren Seite.“ In Deutschland habe man insbesondere am Ende des Sommers praktisch keine Kohle mehr verschiffen können, wodurch die Kohlekraftwerke in Süddeutschland Probleme mit der Brennstoffversorgung bekommen hätten. „Die Risiken für die Versorgungssicherheit waren größer als in vielen Jahren zuvor.“

Am größten sei das Risiko von Engpässen in Frankreich und Irland gewesen, aber auch dort seien die Extremszenarien nicht sehr wahrscheinlich gewesen. Aber auch der nächste Winter könnte herausfordernd werden, warnte der Energieexperte. „In China fängt die Wirtschaft wieder an zu wachsen. Das wird auf den LNG-Bedarf in Asien relevante Auswirkungen haben. Das wird vermutlich die Preise für Gas in Europa im Laufe des Jahres wieder hochtreiben.“ Aber auch die Verfügbarkeitskrise der französischen Atomkraftwerke sei nicht vorbei. Zwischenzeitlich sei es zwar gelungen, ungefähr drei Viertel der Leistung wieder ans Netz zu bekommen, „mittlerweile fehlen aber wieder 7 GW gegenüber dem Höchststand von Anfang Februar.“

Man dürfe dabei nicht nur über die Preise für die Endverbraucher nachdenken, sondern müsse auch an die Versorgungssicherheit denken. „Wenn man das schlecht macht und dadurch Anreize verliert, dass Kunden sich systemdienlich verhalten, dann kann das auch dazu führen, dass wir neue Probleme für die Versorgungssicherheit schaffen.“ Dass die Diskussion über die Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke nur innenpolitisch geführt worden sei, hält Maurer für einen Fehler, denn das Thema habe die Versorgungssicherheit von ganz Europa betroffen. Beim Gas brauche man gerade in Österreich neue grenzüberschreitende Leitungen, weil in der Vergangenheit sehr viel Gas aus Russland gekommen sei und die Transportrouten nun umgestellt werden müssten.

Dass über die Preise mehr diskutiert worden sei als über die Versorgungssicherheit, hält der Experte für einen Fehler. „Akteure wie zum Beispiel Manuel Macron oder Ursula von der Leyen haben sehr vehement eine Reform des Strommarkt-Designs gefordert und letztendlich gesagt: Das heutige Strommarktdesign passt nicht mehr zu unserer Realität.“ Er sei da anderer Meinung, sagte Maurer. „Ich glaube tatsächlich, dass es keinerlei Evidenz gibt, dass dieses Strommarktdesign nicht funktioniert oder die Krise verschärft hat. Es hat tatsächlich eher geholfen die Krise abzufedern, weil die Märkte eigentlich schon so funktioniert haben, wie man das erwartet hat.“ Die Preiseingriffe der Politik seien im Hinblick auf die Versorgungssicherheit eher unerwünschte Maßnahmen, weil sie die Einsparungen der Verbraucher reduzieren würden. „Abschöpfungen unterminieren gegebenenfalls das Vertrauen von Akteuren in das Marktdesign, in die Stabilität des Marktdesigns und ihre Investitionsbereitschaft.“

„Versorgungssicherheit kostet etwas“, stellte auch Verbund-Chef Michael Strugl fest. Man sei ständig dabei, das System auf Kosteneffizienz zu trimmen, „irgendwann geht das auch auf Kosten der Systemsicherheit und Systemstabilität“. Man werde steuerbare und grundlastfähige Kapazitäten noch sehr lange brauchen, sagte Strugl. In Österreich könne das bis zu einem gewissen Grad die Wasserkraft sein, aber auch Gaskraftwerke und Kraft-Wärme-Kopplung. „Wir werden die auch über 2030 hinaus noch brauchen, auch wenn uns das vielleicht nicht immer so behagt, weil die sind natürlich fossile Kraftwerke.“

Josef Vasak von der Vertretung der EU-Kommission in Österreich verwies darauf, dass sich etwa ein Drittel der EU-Länder „bisher noch nicht strukturell ausreichend“ von der Abhängigkeit von russischem Gas befreit habe. „Wir hoffen auch, dass Österreich den Weg findet, um schnell strukturell weg von russischem Gas zu kommen, damit wir nicht erpressbar sind und auch den russischen Krieg nicht finanzieren helfen.“

APA

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