Klartext: Weltklimarat will noch deutlicher warnen

20. März 2023, Interlaken
Ausgehend von den sechs Teil-Berichten seit 2018 folgt nun der finale Abschluss - Dadri, APA/AFP

Die drastischen Warnungen der Klimawissenschaft sind bekannt. Hitzen, Dürren und Überschwemmungen zeigen immer öfter die schrecklichen Folgen des menschengemachten Klimawandels. Jetzt kommt der Weltklimarat (IPCC) am Montag mit einem weiteren Bericht. Einem Synthesebericht, der das, was er seit 2018 veröffentlicht hat, zusammenführt. Braucht die Welt das?

„Unbedingt“, sagte einer der Autoren, der Klimaforscher Matthias Garschagen von der Ludwig-Maximilians-Universität München der Deutschen Presse-Agentur. Der Bericht soll an diesem Montag (20. März) veröffentlicht werden. „Es wird sehr deutlich werden, dass der Klimaschutz allein nicht mehr reicht. Der Zug ist abgefahren“, sagte er. „Wir haben heute klare Auswirkungen des Klimawandels und brauchen Anpassungen daran.“ Der Synthesebericht zeige zudem klar auf, wie die Klimaschutzziele zu erreichen seien. „Und daraus lässt sich auch die Unsinnigkeit bestimmter Politikpfade ableiten.“

Der Weltklimarat (IPCC) besteht aus den Vertretern der 195 Mitgliedsländer, die die Wissenschaft beauftragen, unter anderem verschiedene Szenarien des Klimawandels zu erarbeiten. „Was wäre, wenn …“ wird sowohl im Fall von gutem als auch schlechtem Klimaschutz aufgezeigt. Konkrete Entscheidungen müssen aber die Regierungen treffen.

Sie haben von allen sechs Teil-Berichten seit 2018 zwar schon Zusammenfassungen für Politiker bekommen (summary for policy makers). Aber die Botschaft ist nach dem Geschmack vieler Wissenschafter immer noch nicht klar genug angekommen. „Die Zusammenfassungen sind bisweilen eher schwammig formuliert“, sagte Mitautor Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin der dpa. „Das liegt daran, dass Einstimmigkeit nötig ist, jedes Land kann ein Veto einlegen.“ Die Formulierungen dürfen zwar nicht im Widerspruch zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen. „Aber sie entsprechen nicht immer zu 100 Prozent der Intention des eigentlichen Berichts.“

Wissenschafterinnen und Wissenschafter haben deshalb in der vergangenen Woche in Interlaken in der Schweiz mit mehr als 650 Regierungsvertretern darum gerungen, die Dinge so glasklar wie möglich darzulegen. Die Botschaft: Es ist allerhöchste Zeit. Es muss jetzt sofort gehandelt werden.

Der Prozess ist mühsam, wenn die Zusammenfassung für Politiker Zeile für Zeile durchgekaut wird. Saudi-Arabien gilt wegen seiner Interessen an der klimaschädlichen Ölproduktion als schwierig, ebenso Indien, das wie der Westen und China bisher ohne große Einschränkungen industriell wachsen will.

Klimawandel verläuft schneller als bisher angenommen

Der Prozess lohnt sich trotzdem, sagt Geden. Denn wenn der Bericht verabschiedet ist, gibt es kein Zurück: „Was darin steht, ist die Grundlage für Klimaschutzverhandlungen und wird von den Regierungen meist nicht mehr in Frage gestellt.“

Nun waren die jüngsten drei Berichte, die zwischen Sommer 2021 und Frühjahr 2022 veröffentlicht wurden, schon alarmierend genug: Der Klimawandel verläuft schneller und folgenschwerer als bisher angenommen. Selbst im günstigsten Szenario mit starken Maßnahmen zum Klimaschutz dürfte das Ziel, die Erwärmung möglichst unter 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, schon ab den 2030er-Jahren für mindestens eine Weile überschritten werden. Das Energiesystem muss auf 100 Prozent erneuerbare Energien umgestellt werden. In den Klimaschutz weltweit muss drei bis sechs Mal so viel investiert werden wie zur Zeit.

Der Synthesebericht soll aber noch deutlicher werden. Zum Beispiel beim 1,5-Grad-Ziel, beziehungsweise dem Pfad dahin. „Die Berichte der Arbeitsgruppen 1 und 3 haben bereits gezeigt, dass wir vermutlich Jahrzehnte lang über den 1,5 Grad liegen werden.“ Nur bei massiven Klimaschutzmaßnahmen könnte die Durchschnittstemperatur in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wieder sinken und vor 2100 wieder bei unter 1,5 Grad liegen, sagt Geden. Und Garschagen sagt: „Es wird darum gehen, was das Risiko ist, wenn das Ziel, die Erwärmung möglichst unter 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu halten, zeitweise überschritten wird.“

Er ist optimistisch, dass sich in der Politik endlich etwas tut. „Durch die jüngsten Krisen wie die Pandemie, gewalttätige Konflikte, den Krieg gegen die Ukraine und die Energiekrisen hat die Politik verstanden: Man muss über Krisen in der Gesamtschau nachdenken, weil sie sich gegenseitig verstärken können. Ich sehe, dass zumindest die Einsicht, dass da mehr geschehen muss, da ist.“

APA/dpa

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