Energie. Österreich musste im Vorjahr so viel Elektrizität importieren wie nie zuvor. Die Trockenheit kostete den Verbund Millionen. Auch heuer könnte es eng werden: Deutschland schaltet die letzten AKW ab und die Wasserkraft ist angezählt.
Der August 2022 war in Österreich der trockenste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen. Halb Europa war von einer Dürrewelle erfasst: Italien musste Wasserkraftwerke abschalten, fossilen Kraftwerken fehlte das Kühlwasser oder der Brennstoff, weil die Schiffe auf den wasserarmen Flüssen nicht vorankamen. Die Trockenheit machte sich auch bei Österreichs größtem Stromversorger Verbund bemerkbar. Die Wasserführung lag im Vorjahr um 14 Prozent unter dem langjährigen Schnitt, die Eigenproduktion brach kräftig ein. Die Folge waren milliardenschwere Stromzukäufe an den Börsen, just als die Preise am höchsten waren.
Wetter und Trockenheit zählen auch heuer zu den größten Risiken, sagt Finanzchef Peter Kollmann: Ein Prozent weniger Wasser kostet den Verbund 36,4 Millionen Euro. Finanziell kann das der Konzern verkraften, immerhin konnte der Verbund den Gewinn im Vorjahr auf 1,72 Milliarden Euro fast verdoppeln. Aber gefährdet dieser Trend die Versorgungssicherheit im Wasserkraftland Österreich?
Anzeichen für einen einschneidenden Wandel gibt genug: Erzeugte Österreich bis 2000 stets mehr Strom, als es verbrauchen konnte, musste das Land im Vorjahr erstmals auch im Sommer Elektrizität aus dem Ausland zukaufen. In Summe deckte Österreich fast zwölf Prozent des Strombedarfs mit Importen und überwies dafür 3,2 Milliarden Euro an die Besitzer ausländischer Kohle-, Atom- und Gaskraftwerke.
Ein Grund für die angespannte Lage im Vorjahr war auch, dass die Hälfte der Atomkraftwerke in Frankreich gewartet werden mussten, heißt es in einer Studie von Consentec. In der Folge sanken in einigen Regionen, z. B. in Südskandinavien, die Füllstände in den Wasserkraftspeichern so stark ab, dass Norwegen schon Begrenzungen für den Export elektrischer Energie nach Europa erwog. Inzwischen sind die französischen AKW wieder zu zwei Dritteln am Netz. Eine Entwarnung für heuer bedeutet das allerdings nicht.
Scharfe Kritik am deutschen AKW-Ende
Denn selbst die optimistischsten Schätzungen des französischen Betreibers EdF für die heurige Erzeugungsmenge liegen deutlich unter dem langjährigen Schnitt der AKW. Gleichzeitig nimmt Deutschland mit dem 15. April seine letzten drei Atomkraftwerke vom Netz. „Ein weiterer Dürresommer wäre in diesem Zusammenhang krisenverschärfend“, warnen die Autoren.
Etwas deutlicher kritisierte E.On-Chef Leonhard Birnbaum die Entscheidung der deutschen Ampelkoalition: „Wir berauben Deutschland einer wichtigen Option, obwohl die Energiekrise noch nicht vorbei ist, und hoffen, dass die französische Kernkraft läuft. Das verstehe, wer will — ich nicht.“
Österreichs Versorgung mit Strom hängt stark an der Wasserkraft, die vier Fünftel der Produktion deckt. Nehmen Dürren und Trockenheit zu, werde „Wasserkraft zum Wackelkandidaten“, sagt Gerhard Wotawa, Meteorologe an der Zentralanstalt für Meteorologie (ZAMG). In den kommenden Jahren würde das Abschmelzen der Gletscher die Verluste noch im Rahmen halten. Aber Österreich wird bei einem weiteren trockenen Sommer nicht umhinkommen, wieder teuer Strom aus dem Ausland einzukaufen.
Solarkraft soll Wasserkraft ersetzen
„Wir sind extrem wasserkraftlastig“, bestätigt auch Verbund-Chef Michael Strugl. Auch deshalb will er 15 Milliarden Euro bis 2030 in den Ausbau von Erneuerbaren investieren, „um resilienter zu werden“. Bis 2025 sollen 4,5 Milliarden Euro fließen. Viele Solar- und Windkraftwerke baut der Konzern in Spanien, Italien und Deutschland. „Wir würden liebend gern mehr in Österreich investieren, wenn es Projekte und genügend Flächen gäbe“, sagt Strugl.
Langfristig gesehen ist vor allem der Ausbau der Solarenergie ein guter Ersatz für schwächer werdende Wasserkraft, da beide Technologien zur gleichen Zeit ihre Produktionsspitzen haben. Erreicht Österreich seine Ausbauziele bis 2030, sollte es zumindest im Sommer wieder mehr Strom erzeugen, als es braucht. Die „Winter-Lücke“ wird uns hingegen auch dann erhalten bleiben.
von Matthias Auer
Die Presse