Keine Strompreisrückzahlung, Dauerkrise im öffentlichen Verkehr, ein Landesrechnungshofbericht, ein Kontrollamtsbericht der Stadt Salzburg: Die Salzburg AG muss sich derzeit viele Fragen stellen lassen. Vor der Landtagswahl am 23. April ist das vor allem für die ÖVP reichlich unangenehm.
Das hat in der politischen Landschaft Salzburgs Seltenheitswert: Die im Land oppositionelle SPÖ und die Grünen in der Landesregierung marschieren Hand in Hand. Landeshauptmannstellvertreterin Martina Berthold (Grüne) und die Vizebürgermeisterin der Stadt Salzburg, Anja Hagenauer (SPÖ), beantragen gemeinsam eine Sonderaufsichtsratssitzung der Salzburg AG. Beide Politikerinnen haben Sitz und Stimme im Aufsichtsrat des Landesenergieversorgers.
Anlass der neuen Partnerschaft ist ein Bericht des städtischen Kontrollamts zum Zustand des Salzburger O-Bus-Netzes. Der Bericht geht auf Anträge der SPÖ und der grünen Bürgerliste zurück, und er wirft kein besonders gutes Licht auf die Salzburg AG.
Kurz gefasst ist einerseits von einem gewaltigen Investitionsrückstau die Rede, andererseits orten die Prüferinnen eine Reihe von nicht erklärbaren Buchungen. Der Verkehrssprecher der Stadt-SPÖ, Tarik Mete, meint, dass 38 Prozent der Buchungszeilen eines Jahres nicht nachvollziehbar seien. Der Kontrollamtsbericht ist nicht öffentlich; die Salzburg AG argumentiert mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
Die beiden Aufsichtsrätinnen von SPÖ und Grünen wollen nun die gesamte Verkehrssparte überprüft wissen. Die Prüferinnen des Kontrollamts hätten so viele Unklarheiten in der Buchhaltung vorgefunden, dass nun eine weitere externe Prüfung notwendig sei. „Rund ein Drittel aller Buchungen sind offenbar nicht nachvollziehbar. Das ist ein Zustand, der untragbar ist. Ich verlange Aufklärung, ob auch die Lokalbahn von diesem ‚Buchhaltungschaos‘ betroffen ist“, sagt Berthold.
Michael Baminger – seit Jahresbeginn neuer Vorstandssprecher und Geschäftsführer der Salzburg AG – hat derzeit alle Hände voll zu tun, die Wogen zu glätten. Im STANDARD-Gespräch räumt er ein, dass es in der Finanzbuchhaltung zu „fehlerhaften Anwendungen“ gekommen sei. Doch es gebe auch Kritik am Rechnungslegungsprozess durch das Kontrollamt, die man in der Salzburg AG nicht teile.
Aber: „Wenn solche Hinweise kommen“, sei es seine „Verpflichtung, mit der gebotenen Sorgfalt darauf zu schauen; auch im Sinn der Mitglieder des Aufsichtsrats, die letztlich ja auch in der Haftung stehen“, sagte Bamimger dazu vergangene Woche im Kontrollausschuss des Gemeinderats zu den Konsequenzen des Kontrollamtsberichts für die Salzburg AG. Im Klartext im STANDARD-Gespräch: Man werde „eine dritte Meinung“ einholen, das gehöre „gut abgesichert“.
Den vom Kontrollamt bei der O-Bus-Sparte errechneten Investitionsrückstau bei der Salzburg AG von bis zu 240 Millionen Euro für die Jahre 2022 bis 2031 will Baminger hingegen nicht gelten lassen. Die Salzburg AG spricht von einem Investitionsvolumen von rund 88 Millionen Euro.
Vereinfacht formuliert geht es in dieser Frage laut Baminger um die Lebensdauer der O-Bus-Flotte und um den Zustand der Remise im Süden der Landeshauptstadt.
Die Salzburg AG gehe von einer Lebensdauer der Busse von 20 Jahren aus, das Kontrollamt von 15 Jahren. Baminger argumentiert, dass es betriebswirtschaftlich günstiger sei, die Busse länger fahren zu lassen und öfter zu reparieren. Diese Argumentation finde sich auch im Kontrollamtsbericht, sagt er.
Und bei der Remise, die laut Aussagen von dort Beschäftigten im STANDARD-Gespräch „am Ende“ ist, habe die Salzburg AG eine schrittweise Sanierung kalkuliert statt des vom Kontrollamt angenommenen Neubaus. Allerdings will Baminger auch hier noch eine externe Meinung einholen und vom TÜV-Süd überprüfen lassen, ob die Sanierungspläne einen sicheren Betrieb gewährleisten.
Wahlkampfthema O-Bus
Im Landtagswahlkampf, der dann fließend in den Wahlkampf für die Gemeinderatswahl im Frühjahr 2024 übergeht, ist das Thema Salzburg AG vor allem für die in Stadt und Land regierende ÖVP ein Klotz am politischen Bein geworden.
Ende vergangenen Jahres wurde ein Landesrechnungshofbericht bekannt, laut dem die Salzburg AG zwischen 2018 und 2020 rund 28 Millionen Euro für externe Berater ausgegeben hatte. Dann kam die von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender persönlich vorgetragene Rechtsansicht, dass die Salzburg AG keine Rückzahlungen an ihre Stromkunden leisten müsse. Besonders spürbar ist der Unmut der Bevölkerung aber bei den Bussen: Selbst ÖVP-Gemeinderäte monieren inzwischen öffentlich, dass sie in den 1980er-Jahren im Zehn-Minuten-Takt in die Schule gefahren seien. Heute werden selbst die Hauptlinien meist nur alle 15 Minuten bedient.
Der Standard