„Der Protest zeugt von Vernunft“

3. April 2023, Wien

Die Gasbranche spricht bei einer Tagung in Wien über ihre Zukunft. Doch hat sie überhaupt eine?

Mit der „Umstellung von Gas auf Wasserstoff und erneuerbare Energie“ endete der zweite Tag der Europäischen Gaskonferenz in Wien. Eine Dreiviertelstunde war dem Thema laut Programm gewidmet. Danach sollte Dienstagabend ein Gala-Abendessen folgen.

Auf der Straße vor dem Tagungshotel war die Umstellung von Gas auf erneuerbare Energie den ganzen Tag über Programm. Danach sollte Dienstagabend eine große Demonstration am Stephansplatz folgen. Und am Mittwoch, zum Abschlusstag der Konferenz, „würde ich nicht empfehlen, mit dem Auto zu fahren“, warnte Klara Butz von Fridays for Future Österreich. Nachsatz: „Das würde ich aber auch an keinem anderen Tag empfehlen.“

Das Festhalten an Gas zeuge von „ideologischer Verblendung“. Es sei klar, dass „Erdgas keine Brücke in die Zukunft darstellt, sondern ein Teil der fossilen Vergangenheit und Gegenwart ist, die wir überwinden müssen“. Diese Sätze stammen nicht von den Aktivistinnen und Aktivisten, die am Dienstag erneut demonstriert haben. Sie stammen aus der Stellungnahme von mehr als 150 Wissenschaftern, die den Protest unterstützen.

Aus wissenschaftlicher Sicht seien die Ängste und Befürchtungen der Demonstrierenden berechtigt, heißt es in der Stellungnahme. „Der Protest gegen den weiteren Ausbau von Erdgas-Infrastruktur und für einen Ausstieg aus Erdgas sowie allen fossilen Energieträgern auf dem allerschnellsten Weg zeugt von Vernunft“, folgern die Forscherinnen.
Vernunft, aber auch Emotion waren es am Dienstag, was die Aktivisten zeigten: Bei der Blockade der OMV-Raffinerie in Wien-Schwechat, bei erneuten Protesten vor dem Tagungshotel an der Ringstraße und bei einer international besetzten Pressekonferenz. Ihr Land, sagte dort die ukrainische Fridays-for-Future-Aktivistin Valeriia Bondarieva, sei vom größten Gas-Exporteur der Welt überfallen worden. Dean Bhebhe Bhekumuzi von der Organisation Don’t Gas Africa kritisierte, die Erdgaslobby stelle „Profit über Menschen“. In Afrika litten Menschen unter dem Klimawandel und unter mangelndem Zugang zu Energie. Der Kontinent müsse auf eine Zukunft mit erneuerbaren Energien umsteigen. „Die Pläne zur Ausweitung der Gasförderung in Afrika, wie sie von der Europäischen Gaskonferenz vertreten werden, stellen eine ernste Bedrohung für die Menschen und die Entwicklung Afrikas dar“, kritisierte Bhebhe. Konzerne sperrten Afrika in einer „fossilen Zukunft“ ein.

Wiktoria Jędroszkowiak von Fridays for Future Osteuropa brachte die Kritik, die sich durch alle teilnehmenden Organisationen zog, so auf den Punkt: Die Gaslobby würde Infrastruktur ausbauen wollen, „die wir nicht brauchen“, sagte die Polin. „Und sie verwenden dafür Steuergeld. Mein Geld. Euer Geld.“

Tatsächlich argumentieren die Gasbranche und europäische Regierungen, dass der Ausbau der Infrastruktur nötig sei, um vom russischen Gas unabhängig zu werden – über den Ausbau von LNG-Terminals oder alternative Pipelines. Gleichzeitig, so lautet das Argument, könne die Infrastruktur später für Wasserstoff genutzt werden.

Fraglich ist aber, in welchem Ausmaß grüner Wasserstoff tatsächlich zum Einsatz kommen wird – und in welchem Ausmaß daher Infrastruktur nötig sein wird. Denn zu dessen Herstellung wird enorm viel erneuerbare Energie gebraucht – die noch nicht einmal in ausreichendem Maße zur Deckung des derzeitigen Strombedarfs erzeugt wird.

von Stephanie Pack-Homolka

Salzburger Nachrichten

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