Warum sollten Chinesen Europa ernst nehmen?

21. April 2023

Die deutsche Energiepolitik ist Beispiel für Selbstbeschädigung.

Europäische Politiker machten bei außereuropäischen Dienstreisen zuletzt eher unangenehme Erfahrungen. Etwa der französische Staatspräsident, Emmanuel Macron, oder die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock, die bei ihren jüngsten China-Besuchen ziemlich abgeschasselt oder milde belächelt wurden. Ernst genommen wurden sie jedenfalls nicht.

Woran das wohl liegen mag? Einen kleinen Hinweis darauf — aber bei Weitem nicht den einzigen — könnte uns die Energiepolitik der stärksten Wirtschaftsmacht des Kontinents liefern. Dort, in Deutschland, hat man am Wochenende mit der Kernkraftabschaltung einen wichtigen Schritt der Energiewende hin zur Kohle unternommen: 15 bis 20 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr zusätzlich, überwiegend durch den verstärkten Einsatz von Importkohle, die umweltfreundlich auf schwerölbetriebenen Schiffen aus Kolumbien, den USA und Australien herangeschafft wird.

Dass die Klimabeauftragte des deutschen Außenamtes just am Tag, als die deutschen Kohlekraftwerke mangels Atomstroms hochgefahren werden mussten, China wegen dessen verstärkten Einsatzes von Kohle kritisierte, wird in Peking wohl Heiterkeit ausgelöst haben. Bestenfalls.

Aber mit der Kohle ist 2030 in der Stromerzeugung ja Schluss. Und dann? Sicher: Theoretisch (und bilanziell) lässt sich die Lücke bis dahin durch PV- und Windkraftkapazitäten schließen. Aber was, wenn in der Nacht kein Wind weht und die Speicherkapazität — wovon man ausgehen kann — nur einen Bruchteil des Bedarfs ausmacht? Dann, so hat der als Energieexperte von Talkshow zu Talkshow gereichte Astrophysiker Harald Lesch neulich das grüne Energiekonzept erklärt, müsse sich die Gesellschaft eben auf den „natürlichen Rhythmus“ der Ökostromproduktion einstellen. In mehrtägigen Dunkelflauten, wie wir sie im vergangenen Winter mehrmals hatten, sperren wir dann einfach das Land samt dessen Wirtschaft zu, nicht wahr?

Versteht man jetzt, wieso die Chinesen, die ihre Energiewende beherzt, aber sehr pragmatisch und mit Hirn angehen, Europa als Konkurrenten nicht mehr ernst nehmen?

Die Presse

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