Klima-Glossar: Carbon Farming

24. April 2023, Brüssel/EU-weit/Wien

Die Europäische Union will bis 2050 klimaneutral werden. Dann sollen fast alle Treibhausgase vermieden oder gespeichert werden. Dabei nimmt die Landwirtschaft eine Schlüsselrolle ein – immerhin ist der Sektor in der EU für zehn Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Um das Klimaziel zu erreichen, setzt die EU-Kommission unter anderem auf die Erhöhung der Kohlenstoffbindung in landwirtschaftlichen Böden, auch „Carbon Farming“ genannt.

Selbst nach 2050 wird trotz aller Bemühungen der Ausstoß von Treibhausgasen in die Atmosphäre nicht gänzlich vermieden werden können – so werden etwa Kühe beim Verdauen weiterhin Methan freisetzen. Um aber dennoch die „Klimaneutralität“ zu erreichen, muss die CO2-Speicherfähigkeit der landwirtschaftlichen Böden signifikant erhöht werden. Die technischen Möglichkeiten dazu sind bisher noch recht kostspielig.

Hier kommt „Carbon Farming“ ins Spiel. Vereinfacht gesagt, sollen Bäuerinnen und Bauern auf natürliche Art und Weise klimaschädliches Kohlendioxid der Atmosphäre entziehen und langfristig im Acker binden. Um die dafür benötigte Speicherfähigkeit des Bodens zu erhöhen, soll vor allem mehr Humus aufgebaut werden. Humus bindet etwa durch Pflanzenwurzeln Kohlenstoff (C), Sauerstoff (O2) gibt er zum Teil wieder in die Atmosphäre ab.

Die Speicherung kann auf verschiedene Arten geschehen: Unter anderem durch Zwischenfruchtanbau, bei dem zwischen zwei Haupternten Pflanzen wie Senf oder Ölrettich angebaut werden, die vor allem durch ihre Wurzeln zusätzliche Biomasse produzieren. Eine starke Wurzelbildung wird auch durch den Anbau von mehrjährigen Kulturen wie beispielsweise Kleegras erreicht.

Eine weitere Möglichkeit ist, bodenschonendes Wirtschaften und wenig mechanische Eingriffe in den Acker durch spezielle Maschinen – sodass die Struktur des Bodens erhalten bleibt und die CO2-Speicherung gefördert wird. Außerdem könnten etwa Randstreifen begrünt oder Hecken angebaut werden.

Als finanziellen Anreiz zur Umsetzung dieser Maßnahmen soll es nach Vorstellung der EU-Kommission für die Landwirtschaft einen geregelten Zertifikate-Handel geben. Auf Basis einer Messung des Kohlenstoffgehalts auf registrierten Flächen vor und nach der Anwendung einer von den Bäuerinnen und Bauern selbst gewählten Methode werden Zertifikate ausgegeben. Diese könnten die Landwirtinnen und Landwirte dann beispielsweise an Industriebetriebe verkaufen.

Für den Zertifikate-Handel braucht es laut EU-Kommission jedoch vier Qualitätsrichtlinien: Erstens müssen die Maßnahmen eine zusätzliche Speicherung ermöglichen, zweitens müssen sie auch Vorteile etwa für Wasserqualität oder Biodiversität bringen, drittens müssen sie längerfristig wirken und viertens einen klar messbaren Effekt in den Böden haben. Experten zufolge sind allerdings kurzfristige Erfolge schwer messbar und durch Wetterextreme kann der Kohlenstoff dem Boden wieder schnell entweichen.

APA

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