Der geplante Ausbau erneuerbarer Energien in der Schweiz könnte laut Experten zu mehr Waldrodungen führen. In den Alpen und im Mittelland zeichnen sich gemäß einer Studie Konflikte zwischen der Erhaltung des Waldes und dem Platzbedarf für Solar- und Windanlagen ab. Dies zeigt eine neue Studie von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (ETH Zürich) und der Universität Bern im Fachblatt „Forest Policy and Economics“.
Es wird demnach zunehmend schwierig, die gesetzlich vorgeschriebenen Ersatzflächen für gerodeten Wald zu finden. Die Landwirtschaft möchte nicht auf Anbauflächen verzichten, die Gemeinden wollen keine Baugebiete auszonen. Für die nahe Zukunft erwartet Studienautor David Troxler von der ETH Zürich wegen des Ausbaus von Solar- und Windkraftwerken eine Verschärfung dieser Zielkonflikte. Die benötigte Fläche sei aufgrund der Vielfalt der Projekte schwer zu beziffern, sagte er. Es brauche dabei nicht nur Platz für die Windräder und Solaranlagen selbst, sondern auch für die entsprechenden Hochspannungsleitungen, Baustellenzufahrten und Stauseen.
Trotzdem sei diese Infrastruktur im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Wirtschaft gesellschaftlich wünschenswert, sagte Troxler. Um zukünftige Konflikte zu minimieren, riet der Wissenschafter zu einer vorausschauenden Planung vonseiten der Behörden, um frühzeitig Realersatzflächen zu sichern.
So könnten etwa Flächenpools zwischen verschiedenen Regionen eingerichtet werden. „Hier sollten die Kantone bereits Konzepte in der Hinterhand haben, damit das Walderhaltungsgebot nicht weiter aufgeweicht wird“, sagte Troxler.
Das Spannungsfeld zwischen Walderhaltung und Ausbau erneuerbarer Energien zeige sich bereits in der Rechtsprechung: Seit 2017 werde der Walderhalt rechtlich nicht mehr höher gewichtet als der Bau von Infrastrukturen für erneuerbare Energien. Bisher funktionierte der Schutz des Waldes in der Schweiz laut der Studie jedoch gut. Pro Jahr werden 185 Hektar Wald gerodet. Das entspricht der Fläche von 260 Fußballfeldern. Grund für die Rodungen ist Platzbedarf für Straßen, Mobilfunkantennen, Trinkwasserfassungen, Kiesgruben und andere Infrastruktur.
In Gebieten mit intensiver Landwirtschaft werden aber nicht mehr bewaldete Flächen gerodet als anderswo. Auch in touristisch geprägten Regionen in den Alpen wird laut der Studie nicht besonders viel Forst für neue Skilifte oder ähnliche Infrastruktur abgeholzt. In den Alpen nimmt die bewaldete Fläche sogar zu, weil immer mehr Alpweiden der Natur überlassen werden.
Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter haben für diese Erkenntnisse die Rodungsprojekte in der Schweiz zwischen 2001 und 2017 analysiert. Da Rodungen in der Schweiz genehmigungspflichtig sind, wird darüber genaustens Buch geführt – seit 120 Jahren.
Service: https://doi.org/10.1016/j.forpol.2023.102938
APA/ag