Zähe Verhandlungen um Tennet-Kauf durch Deutschland

4. Mai 2023, Berlin
Tennet-Verkauf ist kompliziert - The Hague, APA/ANP

In den Verhandlungen über den milliardenschweren Kauf des deutschen Teils der niederländischen Stromnetz-Firma Tennet müssen eine Reihe von Knackpunkten aus dem Weg geräumt werden. Es gebe schwierige Fragen zur Verteilung der Investitionen in der Nordsee, zu den Schulden von Tennet und damit zum Kaufpreis insgesamt zu klären, sagten mehrere mit den Verhandlungen Vertraute der Nachrichtenagentur Reuters.

Laut Tennet geht die niederländische Finanzministerin Sigrid Kaag von einem nicht-bindenden Angebot Deutschlands bis zum Sommer aus. Den Insidern zufolge denkt die Niederlande an einen Preis von 20 bis 25 Mrd. Euro. „Die Übernahme durch den künftigen Anteilseigner solle um das Jahresende abgeschlossen sein“, erklärte Tennet. Das deutsche Wirtschaftsministerium in Berlin erklärte lediglich, die Gespräche liefen.

Die deutsche Regierung hat Interesse am deutschen Teil von Tennet, da es ein Herzstück für die Umstellung auf erneuerbare Energieträger bildet. Tennet muss zum einen die Offshore-Windparks in der Nordsee anbinden und baut zugleich die wichtigsten Übertragungsleitungen in die Industriegebiete im Süden und Westen Deutschlands. Dies erfordert massive Investitionen. Tennet sieht den Bedarf für 8 Mrd. Euro jährlich über das nächste Jahrzehnt – davon sollen rund 60 Prozent auf Deutschland entfallen. Die niederländische Regierung als Allein-Eigentümerin will aber diese Ausgaben nicht mehr aufbringen und ist deshalb verkaufswillig. „Wir müssen nächstes Jahr Investitionen auf den Weg bringen, daher ist eine Einigung über den Verkauf in diesem Jahr nötig“, sagte ein Insider.

Der Poker um den Preis ist ausgebrochen: „Wir können sagen, es sind Kronjuwelen. Es ist eine Summe X wert“, sagte Kaag dem niederländischen Parlament Mitte April. „Und die Deutschen sagen aus ihrer Sicht: ‚Hey, wir denken es ist weniger wert als X.“ Tennet müsse extern bewertet werden, aber auch dann bleibe es Verhandlungssache.

Den Insidern zufolge geht es dabei einmal um die Abgrenzung der Aktivitäten in der Nordsee. Hier haben sowohl die Niederländer als auch Deutschland Interesse am Ausbau der Windenergie. „Es kann aber nicht sein, dass der deutsche Tennet-Teil etwa für Milliarden-Summen Umspann-Plattformen baut, die dann von den Niederländern für wenig Geld genutzt werden“, sagte ein mit den Verhandlungen Vertrauter. Die Infrastruktur in der Nordsee müsse nicht nur gemeinsam geplant, sondern auch gemeinsam finanziert werden.

In den vergangenen zwölf Monaten haben sich aber Rahmenbedingungen verändert: So sind die Zinsen deutlich gestiegen, was Investitionen aber auch die Umschuldung bestehender Tennet-Anleihen deutlich verteuert. Allein der deutsche Teil hat Verbindlichkeiten von fast 22 Milliarden Euro, das fast Dreifache des niederländischen. Zudem könnten Gläubiger bei einem Eigentümer-Wechsel eine Rückzahlung einige der alten, niedrig verzinsten Anleihen verlangen, sagte ein Insider. Tennet hat insgesamt 19 Mrd. Euro in diesen Bonds ausgegeben. Diese müssten dann durch neue mit höheren Zinszahlungen ersetzt werden. „Die gestiegenen Zinsen werden von deutscher Seite natürlich als Argument angeführt, dass ein Kaufpreis von 20 Milliarden Euro oder mehr weit überzogen ist“, sagte ein mit den Verhandlungen Vertrauter.

APA/ag

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