Neukunden zahlen meist weniger als 20 Cent je kWh, Bestandskunden mehr – viele kommen erst im Herbst aus Altverträgen heraus
Mitgehangen, mitgefangen. So könnte man die Situation beschreiben, in der sich viele Strombezieher und -bezieherinnen im vorigen Herbst befunden haben. Auf dem Höhepunkt der Energiekrise erhielten viele Haushalte Schreiben von ihrem Energieversorger. Von Abbruch der Kundenbeziehung bis zu Vertragsänderungen mit neuen, deutlich höheren Tarifen und Bindung auf ein Jahr war alles dabei. Nur kein attraktives Angebot. Das ändert sich jetzt.
Die im Vorjahr in die Höhe geschossenen Strompreise, flankiert und angetrieben durch dramatisch verteuerte Gaslieferungen nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine, sind im Großhandel inzwischen deutlich gesunken. Im Einzelhandel, also bei den Haushaltspreisen, kommt diese Entwicklung erst zeitverzögert an. Das liegt, wie Johannes Mayer, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft in der Regulierungsbehörde E-Control, sagt, unter anderem an der Einkaufspolitik der Energieversorger. Diese beschaffen den für ihre Kunden benötigten Strom längerfristig, meist zwei Jahre im Voraus. Unternehmen, die mit kleinem Apparat und geringen Fixkosten den alteingesessenen Platzhirschen in den vergangenen Jahren kräftig eingeheizt haben, kaufen vergleichsweise kurzfristig ein, zwölf Monate im Voraus oder noch weniger. Ein Großteil dieser Unternehmen ist im Vorjahr vom Markt verschwunden, weil sie sich den Kauf von sehr teuer gewordenem Strom an der Börse bar jeder Reserve nicht mehr leisten konnten.
Jetzt kommen diese Quereinsteiger langsam zurück und gehen mit günstigen Angeboten neuerlich auf Kundenfang. „Im Vorjahr ist der Wettbewerb eingeschlafen, heuer ist er wieder aufgewacht“, bringt Mayer die Situation auf den Punkt.
Seit März dieses Jahres gebe es mehr und mehr Angebote, die den tatsächlichen Einstandskosten entsprechen würden – das heißt 15 bis 17 Cent je Kilowattstunde (kWh) plus zwei Cent, die typischerweise bei Haushaltskunden als Marge aufgeschlagen werden. „Bei Neutarifen ist jetzt meist ein Einser vorne, die Kilowattstunde wird um 18 oder 19 Cent angeboten“, sagt Mayer.
Es gebe aber auch Angebote, wo 30 Cent pro kWh oder mehr verlangt werden, dem Kunden im ersten Jahr die Hälfte der Stromrechnung erlassen, im zweiten Jahr voll kassiert wird. Für Kunden, die den Markt nicht ständig im Auge hätten und den richtigen Zeitpunkt zum Ausstieg verpassten, sei das gefährlich.
Von den günstigeren Angeboten, die es am Markt gibt, hat im Moment nur ein kleiner Teil der Haushalte etwas davon. Viele haben sich im vergangenen Herbst mangels Alternative zwölf Monate an ihren Lieferanten gebunden, zu möglicherweise in der damaligen Situation akzeptablen Konditionen. Spätestens jetzt aber ist der Preis, den viele Bestandskunden zahlen müssen, gemessen an den Preisen, der für Neukunden gilt, unattraktiv.
Kaum mehr Bewegung
Dass die Strompreise deutlich günstiger werden, als sie es bei Neuabschlüssen jetzt sind, glaubt Mayer nicht: „Seit April sehen wir, dass sich preislich nicht mehr viel bewegt.“ Die Entwicklung der Preise für das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2), das bei der Produktion von Strom in thermischen Kraftwerken in die Atmosphäre entweicht, geht nach oben, der Bedarf an Strom insgesamt auch. Das alles sind Faktoren, die Strompreise wie vor Corona eher unwahrscheinlich machen.
Bei den Tarifen der Bestandskunden, die derzeit zwischen 20 und 30 Cent je kWh liegen, ist hingegen Bewegung zu erwarten. Sie sollten sich denen der neu eingetretenen Unternehmen annähern.
Der Standard