Pipeline-Sperre gegen Russland Österreich nicht betroffen

17. Mai 2023, Brüssel

Ukraine-Krieg. Die westlichen Industrienationen wollen jene Pipelines, mit denen Russland die EU zu erpressen versucht hat, dauerhaft schließen.

Wenn die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden (westlichen) Industrienationen am kommenden Freitag in Hiroshima zusammenkommen, werden zwei Abwesende im Mittelpunkt der Beratungen stehen: China und Russland. Während die Beziehungen zur Volksrepublik zwar angespannt, aber nach wie vor intakt sind, hat sich Moskau durch den Überfall auf die Ukraine zum Paria gemacht. Im Jahr zwei des russischen Angriffskriegs geht es den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan und Kanada (die EU hat bei den G7 Beobachterstatus) mittlerweile nicht mehr um Abschreckung, sondern um Abwehr und Konsequenzen für den Aggressor — Konsequenzen ökonomischer Natur, denn eine aktive Teilnahme an dem bewaffneten Konflikt kommt für den Westen nicht infrage.

Sowohl die G7 als auch die EU haben bereits mehrere Sanktionsrunden eingeleitet — in Brüssel wird momentan über das mittlerweile elfte Paket von Strafmaßnahmen verhandelt. Bei dem dieswöchigen Treffen in Japan dürften aber die Weichen für eine permanente Abkoppelung Russlands von Europa gestellt werden.
Wie die „Financial Times“ unter Berufung auf interne Entwürfe der G7-Schlusserklärung berichtete, wollen die westlichen Industrieländer die Gasleitungen von Russland Richtung Westen kappen — und zwar permanent. Demnach sollen jene Pipelines, die Russland im vergangenen Jahr abgeklemmt hat, um die EU unter Druck zu setzen, nicht wieder aktiviert werden. Die von Moskau als Waffe eingesetzten Gaslieferungen sollen mindestens so lang außer Betrieb bleiben, bis „der Konflikt beigelegt ist“, heißt es in dem Entwurf.

Jamal und Nord Stream

Um welche Pipelines handelt es sich? Als der Kriegsverlauf im Frühjahr 2022 eine negative Wendung für Russland nahm und die westliche Unterstützung für die bedrängte Ukraine anlief, ordnete Moskau die Schließung der Jamal-Gasleitung an, die russisches Erdgas nach Polen und Bulgarien pumpte. Anschließend drosselten die Russen im Juni ihre Lieferungen an Deutschland über die Ostsee-Pipeline Nord Stream — woraufhin die Gaspreise in Europa regelrecht explodierten. Im August kostete eine in den Niederlanden gehandelte Megawattstunde Gas (DTTF) 350 Euro — am Vorabend des russischen Überfalls waren es noch 75 Euro pro MWh gewesen.

Doch anstatt in eine tiefe Rezession zu stürzen, lösten sich die Europäer im Zeitraffertempo aus der russischen Umklammerung: Sie reduzierten ihren Gasverbrauch 2022 um 13 Prozent, schlossen Verträge mit Flüssiggas-Lieferanten ab und investierten in erneuerbare Energiequellen. Folge: Anfang Mai lag der DTTF-Gaspreis unter 40 Euro. Vor diesem Hintergrund — und aufgrund der Tatsache, dass die EU-Gasspeicher wegen des milden Winters mit Ständen von rund 60 Prozent überdurchschnittlich voll sind — gehen die G7 davon aus, dass die Sperre der russischen Pipelines leicht zu verkraften sein wird.

Wäre Österreich, das nach wie vor russisches Gas bezieht, von dem Embargo betroffen? Vermutlich nicht — denn hierzulande trifft russisches Gas über die Ukraine und Slowakei ein. Der Transfer durch die Ukraine wurde im Laufe des vergangenen Jahres zwar auch zeitweise ausgesetzt, doch die Russen verwiesen damals auf Unterbrechungen des Gasflusses auf ukrainischer Seite — was die Ukrainer wiederum bestritten haben. Die Soyuz/Transgas-Leitung war jedenfalls ebenso wenig Gegenstand russischer Drohungen wie die Blue-Stream-Leitung, die Russland mit der Türkei verbindet.

Und wie steht es ums russische Erdöl? Hier ist die EU am Zug: Dem Vernehmen nach wird im Rahmen der elften Sanktionsrunde überlegt, Ölleitungen aus Russland stillzulegen. Das Problem dabei ist allerdings, dass beispielsweise durch die Druschba-Pipeline, die über Polen nach Deutschland führt, auch kasachisches Rohöl gepumpt wird. Warschau und Berlin haben jedenfalls in der Zwischenzeit das Ende der russischen Öllieferungen verkündet.

von Michael Laczynski

Die Presse