Biomasse-Boom wurde jäh gestoppt

31. Mai 2023

Wärme. Streit um die Klimafreundlichkeit von Pellets und der Einbruch der Nachfrage in großen Exportländern wie Deutschland zwingen heimische Pelletskesselhersteller zum Personalabbau.

„Österreich ist nicht ganz dicht.“ Mit diesem Slogan — und einem kräftigen Förderprogramm — will das Umweltministerium die Österreicherinnen und Österreicher dazu bewegen, ihre Häuser und Wohnungen thermisch zu sanieren und auf klimafreundliche Heizungsformen umzusteigen. Gute Zeiten also für die starke Pelletskesselindustrie in Österreich, könnte man meinen. Doch die Realität sieht anders aus.

Vor einem Jahr floss für die Branche tatsächlich noch Milch und Honig. Der Ukraine-Krieg und die Gaspreisexplosion führte vielen Haushalten ihre fatale Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen vor Augen. Die Zahl derer, die auf Biomasseheizungen umsteigen wollten, stieg sprunghaft in die Höhe. Heimische Anbieter wie Windhager, Ökofen, Hargassner, Herz, Solarfocus oder KWB, die zwei Drittel aller Pelletskessel in Europa verkaufen, erlebten einen kleinen Goldrausch. „Doch spätestens seit Jahresbeginn ist alles anders“, sagt Stefan Gubi, Geschäftsführer von Windhager zur „Presse“. „Der Markt ist über Nacht komplett eingebrochen.“

Wie grün ist die Biomasse?

Die allgemeine Teuerung und die damit verbundene Zurückhaltung bei größeren Anschaffungen erklärten das plötzliche Aus des Höhenflugs nur zum Teil, meint er. So haben sich die Pelletspreise von ihrem Rekordhoch im vergangenen Herbst schon wieder beinahe halbiert. Gubi vermutet vielmehr „atmosphärische“ und „politische“ Gründe für den finanziellen Katzenjammer der Branche.

Als atmosphärisch belastend lässt sich wohl die seit Monaten laufende Debatte innerhalb der EU über die Klima(un)freundlichkeit der Biomasseheizungen bezeichnen. Landläufig gelten sie zwar als „grün“, weil die Bäume bevor sie zu Hackschnitzeln und Pellets verarbeitet werden, entsprechende Mengen CO2 aus der Atmosphäre gebunden haben. Da aber beim Verbrennen weiterhin Treibhausgase entweichen, wollen manche Kritiker die Pelletsheizungen nicht länger als saubere Alternative zu Öl und Gas gelten lassen. Die meisten Experten halten Pellets für sinnvoll, solang sie in Ländern mit nachhaltiger Holzwirtschaft aus den Reststoffen der Holzindustrie erzeugt werden. Das ist aber auch in Europa längst nicht immer der Fall. Deshalb ist das Match zwischen den Befürwortern der Biomasse und ihren Gegnern in der Union nicht final entschieden — und das verunsichert viele potenzielle Käufer.

Personalabbau und Kurzarbeit

Das wohl beste Gegenargument für viele Konsumenten ist wohl das Geld. Österreich bietet über das „Raus aus Öl und Gas“-Programm Hunderte Millionen Euro an Förderung für den Kesseltausch. Zudem wartet mit dem Erneuerbare Wärme Gesetz (EWG) ein Gesetzestext auf seinen Beschluss, bei dem die Biomasse ebenfalls gut abschneiden würde. Bisher wird das EWG von der SPÖ blockiert.

Doch selbst wenn das Gesetz bald käme, wäre das nicht genug, um die Probleme der heimischen Branche zu lösen, warnt Stefan Gubi. Denn 70 Prozent ihres Geldes verdienen die Hersteller im Ausland. Und da haben die beiden wichtigsten Abnehmerländer, Deutschland und Frankreich, erst kürzlich Förderungen für Pelletsheizungen halbiert. Seither sind die Märkte dort „im freien Fall“ — und die Auswirkungen bis weit nach Österreich hinein zu spüren.

Windhager und andere Mitbewerber haben bereits damit begonnen, sämtliche Leiharbeiter abzubauen. Auch am Stammpersonal geht die überraschende Krise nicht vorbei. Ein heimischer Hersteller bereitet schon Kurzarbeit für seine Mitarbeiter vor. Für die Unternehmen ist die Lage heikel. Sollte die Wärmewende — wie politisch angekündigt — doch Fahrt aufnehmen, würden rasch wieder Mitarbeiter gebraucht. Auch geplante Investitionen, wie das eine Milliarde Euro teure Wärmepumpenwerk, das Windhager in Österreich bauen will, werden ob der fragilen Lage heikler. Ändert sich an der Talfahrt am Markt nichts, „müssen wir unternehmerisch die Notbremse ziehen“, sagt Stefan Gubi. „Und das in einer Zeit, in der wir das gar nicht wollen.“

von Matthias Auer

Kurier