Österreichs Gaszukunft „ungewiss“

6. Juni 2023

Ex-OMV-Chef Roiss warnt, Österreich werde mit Ende 2024 kein russisches Gas mehr bekommen. Bei der E-Control hält man dies für unwahrscheinlich, im Energieministerium will man sich dennoch von russischen Quellen befreien.

Es hatte am Mittwochabend in Wien angenehme 25 Grad. Nur die wenigsten in Österreich dachten wohl über Gasspeicher nach, die sich im Sommer traditionell füllen. Der ehemalige OMV-Chef Gerhard Roiss dachte aber darüber nach – und zwar öffentlich und mit gehörigem Nachhall.

Die Lieferung von russischem Gas nach Österreich über die Ukraine werde mit Ende 2024 wohl enden, warnte Roiss zunächst bei einer Podiumsdiskussion der Neos und anschließend in der ZiB 2. Ende 2019 hatte der russische Staatskonzern Gazprom mit Kiew einen Durchleitungsdeal über fünf Jahre geschlossen. Der stellvertretende Energieminister der Ukraine habe ihm kürzlich „sehr klar gesagt, dass dieser Vertrag über die Durchleitung von russischem Gas durch die Ukraine von ukrainischer Seite nicht verlängert wird“, sagte Roiss. Die Reaktion der österreichischen Regierung darauf sei aber nur „Ignoranz“.

Im Energieministerium von Leonore Gewessler (Grüne) bemühte man sich nach Roiss’ Aussagen einerseits um Beruhigung. Die Gasversorgung in Österreich sei aktuell gesichert, der Füllstand der Gasspeicher liege über 75 Prozent, auch die Lieferungen kämen an, hieß es am Donnerstag.

Andererseits liest man im Ministerium Roiss’ Warnruf als Bestätigung dafür, dass man vom russischen Gas loskommen muss. Dessen Anteil sei zwar gesunken, aber immer noch hoch. Laut Zahlen des Ministeriums lag der Anteil des Gasimports aus russischen Feldern im März bei 74 Prozent, im Februar waren es 57 Prozent. Grund dafür seien vor allem die langen Lieferverträge der OMV.

Und der Transitvertrag zwischen der Ukraine und Russland bis Ende 2024, ohne den die Lieferungen nach Österreich stoppen? „Eine Verlängerung dieses Vertrags zwischen der Ukraine und Russland ist zum aktuellen Zeitpunkt ungewiss“, heißt es auch aus dem Ministerium.

Bei der Regulierungsbehörde E-Control sieht man die Möglichkeit einer Verlängerung aber intakt. „Pipelinekapazitäten können ab 2025 auch kurzfristig gebucht werden“, sagt Carola Millgramm, Gasexpertin der E-Control, zum STANDARD. „Dass es nach dem Jahr 2024 gar keinen Gasfluss mehr gibt, halten wir für unwahrscheinlich.“ Auch die Ukraine habe ein Interesse an dem Transit, weil sie „Erlöse aus der Durchleitung“ bekomme.

Die Pipeline, um die es geht, ist die Transgas, die in den Siebzigerjahren erbaut wurde und russisches Gas durch die Ukraine und die Slowakei nach Österreich leitet. Immer noch. Andere Pipelines tun das nicht mehr. Die Lieferungen durch die Nord Stream 1 hatte die Gazprom zunächst gestoppt, im September wurden dann beide Röhren durch Sprengungen zerstört. Auch in der durch Polen führenden Jamal-Pipeline fließt kein russisches Gas mehr.
Der Ukrainekrieg mache die Lieferungen ohnehin unsicher, betont man im Gewessler-Büro: „Es können Defekte an der Leitung auftreten, die Pipelines können durch kriegerische Handlungen zerstört werden.“

Das Ziel bleibe „Diversifizierung. Dass die Abhängigkeit von russischem Gas reduziert werden muss, ist klar“, sagt E-Control-Expertin Millgramm. Sie denkt dabei an langfristige Lieferverträge für LNG (Flüssiggas). Auch der vielfach geforderte Ausbau der WAG (West-Austria-Gasleitung) sei übrigens genehmigt und könne von behördlicher Seite beginnen.

Hoher Gazprom-Anteil

Roiss, der die OMV bis 2015 leitete, betonte auf dem Podium bei den Neos, er habe in seiner Ära das Ziel der Diversifizierung ausgegeben: ein Drittel Gas aus Russland, ein Drittel aus Norwegen, ein Drittel aus Rumänien. Nach seiner Zeit habe die OMV aber alles auf Russland gesetzt.

Der Energiepolitik Österreichs seit Kriegsbeginn stellte er kein gutes Zeugnis aus. Er verwies auf den nach wie vor hohen Gasbezug Österreichs aus Russland. „Europa hat das gemanagt, unabhängig zu werden“, sagte Roiss. „Nicht gemanagt haben es Österreich, die Slowakei und Ungarn.“

Der Standard

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